Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
sollte dort eines brennen. Zwar glaubte er nicht, dass jemand so dämlich sein würde, tatsächlich ein Feuer zu entfachen, wenn er damit rechnen musste, deshalb von Feinden erkannt zu werden. Aber das war ihm egal. Wenn er eine gut geschützte Stelle finden würde, konnte er dort auch die Nacht verbringen und am Morgen vielleicht eine Bewegung, die auf Menschen hindeutete, erkennen.
Seit einiger Zeit wurde er das Gefühl nicht mehr los, dass er beobachtet wurde. Er konnte jedoch nicht sagen, was es war, das ihn dies glauben ließ. Es war einfach ein Gefühl. Er beruhigte sich damit, dass er es wilden Tieren zuschrieb, die sicher ein Auge auf den einsamen Wanderer hatten. Es gab viele Vögel im Fend und auch ein Bär und zwei Wölfe hatten schon seinen Weg gekreuzt. Der Bär hatte jedoch sofort Reißaus vor ihm genommen und er hatte ihn nur erkannt, weil dieser im Gegenlicht hinter den Bäumen verschwand. Die Wölfe hatten sich ihm sogar in einigem Abstand genähert und ihre Nasen in die Luft gehalten. In dieser Jahreszeit würden sie ihn jedoch sicher nicht angreifen, denn es gab genug leichtere Beute für diese Jäger als einen Menschen.
Turgos fürchtete sich nicht vor den Wölfen. Er war zu geübt mit dem Schwert, als dass sie ihn ernstlich bedrohen konnten. Als er noch jünger war, hatte er oft im Winter an der Wolfsjagd teilgenommen. Die Wölfe kamen meist in den späten Tagen des ersten Monats aus den Bergen herab und griffen gar das Vieh in den Ställen der Bauern Schwarzenbergs an, was dann eine Jagd auf sie erforderlich machte. Es war die Pflicht der Barone, die Menschen nicht nur vor ihresgleichen zu schützen. Auch gegen Raubtiere hatten sie wenn nötig vorzugehen.
Wölfe ließen sich nur sehr schwer erlegen, denn sie flohen meist sehr schnell und weit, wenn man sich ihnen zu nähern versuchte. Und die Rudel waren immer klein gewesen. Sein Vater hatte erzählt, dass diese in seiner Jugend bis zu dreißig Tiere umfasst hatten. Doch zu Turgos’ Zeit waren es meist nicht einmal ein Dutzend dieser gefährlichen Biester, die gemeinsam auf die Jagd gingen. Viel gefährlicher waren einzelne Tiere, die den Menschen auflauerten und die zu keinem Rudel gehörten. Es waren meist alte oder kranke Wölfe, die von ihren Rudeln ausgeschlossen worden waren oder ihnen nicht mehr folgen konnten.
Als er seinen Aussichtsplatz eingenommen hatte, suchten seine Augen zuerst die Berge nach einem dieser Einzelgänger ab, ehe er hinunter zu den Bäumen schaute. Er wollte ganz sicher gehen, dass nichts hinter ihm lauerte, während er in die andere Richtung blickte. Zu genau wusste er, wie leise ein Wolf oder ein Berglöwe sich anzuschleichen vermochte, wenn er schnelle Beute vermutete.
Zum Glück sah er keine Gefahr hinter sich und auch zwischen den Bäumen loderte kein Feuer, so weit er sehen konnte. Der Anblick des gewaltigen Waldes in dieser mondhellen Nacht hatte etwas Erhabenes. Immer wenn sich einige Wolken vor den Mond schoben, wurde es fast ganz dunkel. Turgos hoffte, dass sich kein Gewitter bilden würde und sich die Wolken bis zum nächsten Tag wieder verzogen hätten. Doch er hatte Pech. Als er am nächsten Morgen erwachte, war es ein leichter Nieselregen, der ihn um den Schlaf brachte. Da er diesem in seinem Versteck ungeschützt ausgesetzt war, beschloss er, schnell wieder hinabzusteigen, damit er nicht völlig durchnässt wurde. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen und er musste sich daher beeilen. Stand sie erst einmal am Himmel, würde sie die westliche Flanke der Berge in ein so helles Licht tauchen, dass er nicht mehr ungesehen hinuntersteigen konnte, sollte irgendwo ein Beobachter sein. Schnell sprang er von Fels zu Fels und hatte in kurzer Zeit wieder den Wald erreicht, der ihn nun vor den Augen eines unwillkommenen Beobachters verbarg.
Doch er war zu unvorsichtig gewesen: Er wurde gesehen. Ein Soldat eines versprengten Zuges der Truppen Elborgans hatte ihn entdeckt, als er gerade sein Versteck verlassen hatte. Der Mann warnte seine Kameraden. Nach einer kurzen Unterredung beschloss der Anführer, den Fremden zu fangen. Sie mussten schließlich davon ausgehen, dass er ein Feind war. Und da sie dies als gute Gelegenheit empfanden, die Schmach ihrer eigenen Flucht zu verschleiern, waren die Männer schnell bei der Sache. Als nämlich der Kampf ausgebrochen war, in dem ihre Einheiten von den Rebellen angegriffen wurden, waren sie kopflos geflohen und hatten sich nicht gegen die Feinde der Thaina
Weitere Kostenlose Bücher