Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
deren Organe so im Körper verteilt waren wie die der Anyanar und Menschen, hatte sich mit der Zeit eine besondere Methode herausgebildet, wie man die Nird zu Tode brachte. Es sollte schnell gehen und nicht zu brutal sein. Valralka verstand zwar nicht, wie man hier von einer geringen Brutalität reden konnte, aber sie machte sich keine weiteren Gedanken darüber.
Eilirond hatte ihr angeboten, die Hinrichtung des Mannes zu übernehmen. Valralka hatte dies jedoch sofort abgelehnt. Es war die Pflicht des Herrschers und dieser wollte sie sich stellen. Auch von Nerijas Vorschlag, damit noch einige Jahre zu warten und Heermeister Gundir so lange einzukerkern, hielt sie nichts. Es musste in diesem Fall Stärke gezeigt werden, sagte sie der Kanzlerin. Das Volk musste sehen, dass die Königin auch in grausamen Dingen keine Schwäche zeigte, wenn es darauf ankam. Eilirond hatte am vorangegangenen Tag das Richtschwert ins Schloss holen lassen, damit Valralka es wenigstens schon einmal in der Hand gehabt hatte und wusste, wie es sich anfühlte. Lange saß sie auf dem Thron, der ihr nun nicht mehr so fremd war wie bei ihrem Amtsantritt, und hielt das Schwert in den Händen. Es war für sie nicht seltsam, eine Klinge in der Hand zu halten, von der sie wusste, dass dadurch schon einmal jemand zu Tode gekommen war. Es erfüllte sie sogar ein wenig mit Stolz, das zu tun, was erst einmal vor ihr hatte getan werden müssen. Sie wollte sich dem Hause Vanadirs als würdig erweisen, indem sie Vanadirs Gesetz befolgte.
Der Stolz war einer großen Anspannung gewichen, als sie den Platz betrat, auf dem das wartende Volk versammelt war. Die Königin war ganz in ein schwarzes Gewand gehüllt und vor dem Gesicht trug sie einen Schleier, der ebenfalls schwarz war. Sofort schritt sie zum Mausoleum Tarios‘ und nahm neben der Platte, die auf dem Grundstein des Palastes ruhte, Aufstellung. Eilirond stellte sich neben sie und hielt das Schwert Vanadirs in den Händen. Es ging ein kurzes Raunen durch die Menge, als schließlich Gundir auf den Platz geführt wurde. Seine Hände waren am Rücken zusammengebunden, aber ansonsten ging der Mann aufrecht, jedoch ohne Stolz hinter seinen Bewachern einher. Der letzte Mut, den sich Valralka für diesen Moment bewahrt hatte, verflog und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Jetzt war sie froh über den Schleier, den Nerija ihr zu tragen geraten hatte. Niemand konnte so ihr Gesicht sehen. Gleich musste sie einen ihres Volkes töten und ein Schuldgefühl, wie sie es nie für möglich gehalten hatte, senkte sich auf ihre Schultern. Gundir hielt vor ihr an und stellte sich mit dem Gesicht zum versammelten Volk auf die Steinplatte. Kein Laut war zu hören. Ganz Tharvanäa schien in diesem Augenblick den Atem anzuhalten. Valralka überlegte, ob sie dem Mann seine Fesseln lösen lassen sollte. Dann entschied sie sich jedoch dagegen und drehte sich zu Eilirond hin, der ihr das Schwert Vanadirs reichte. Mit beiden Händen nahm sie es am Griff und stellte sich direkt hinter den ehemaligen Heermeister Gundir.
»Knie nieder«, sagte Eilirond zu dem Mann.
Gundir kam dieser Aufforderung immer noch schweigend nach und ließ sich auf die Knie fallen. Valralka hatte zuvor befürchtet, dass er noch das Wort zu seiner Verteidigung an sie oder das Volk richten würde. Aber nichts dergleichen geschah. Er kniete nur einfach, ihr den Rücken zugewandt, vor ihr auf der Richtplatte und bewegte sich nicht. Ihm war von den Soldaten der Wache vor dem Marsch zu seiner Hinrichtung der Hals frei gemacht worden, sodass Valralka gut seine Schlüsselbeine sehen konnte. Hinter dem rechten setzte sie das Schwert an. Sie traute sich fast nicht hinzusehen. Die Waffe war so spitz, dass sie schon in die Haut des Mannes geschnitten hatte, als sie sie dort nur vorsichtig ansetzt e. Ohne Vorwarnung stach sie das scharfe Schwert dem Mann in den Körper. Wie es beabsichtigt war, durchstach sie schnell dessen Herz. Gundir schaute mehr verwundert als von Schmerzen durchdrungen in die Menge. Valralka zog das Schwert mit etwas zu viel Kraft aus dem Körper des Mannes heraus und achtete darauf, nicht ihr Gleichgewicht zu verlieren. Hinter dem Mann legte sie die Klinge vor sich auf die Steinplatte und wunderte sich, wie wenig Blut aus der Wunde austrat, die sie ihm zugefügt hatte. Gundir kippte einfach vornüber und blieb regungslos am Boden liegen. Nur sein linker Fuß zuckte noch zweimal ganz kurz, dann war es vorbei. Jetzt erst ergoss sich ein
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