Unter deinem Stern
nehmen.
Gott, war das peinlich. Obwohl sich außer ihm nur eine junge Frau in dem Laden befand, kostete es ihn große Überwindung, einen Teil seines Lebens auf dem Tresen auszuschütten. Doch es musste einfach sein.
»Die meisten sind Klassiker«, verkündete er überflüssigerweise.
»Wissen Sie, die meisten Klassiker kriegt man heute schon für ein Pfund«, erwiderte die Hexe.
»Als ich Student war, waren sie teurer.«
Die dicken Lippen geschürzt, die Augen zu Schlitzen verengt, drehte sie jedes einzelne Buch um. »Mehr als sechs Pfund kann ich Ihnen nicht dafür geben.«
»Sechs Pfund! Das hier sind fünfzehn Bücher!«
»Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen«, sagte die Frau süffisant. »Ich muss schließlich was daran verdienen.«
»Himmelherrgott!«, rief Simon aus. Doch was blieb ihm übrig? Sechs Pfund! Damals hatte er wahrscheinlich über achtzig Pfund für die Bücher bezahlt. Verdammt. Mit Wertverlust hatte er ja gerechnet, aber das war geradezu lächerlich.
»Einverstanden«, sagte er bekümmert, woraufhin die Frau die Kasse öffnete und ihm einen zerfledderten Fünf-Pfund-Schein und eine schwarze Pfundmünze reichte. Davon konnte er sich gerade mal ein neues Taschenbuch leisten. Oder einen halben Einkaufskorb Lebensmittel, wenn er sparsam einkaufte.
Da ich nun schon mal in dem Laden bin, sagte er sich, kann ich mich auch ein bisschen umsehen. Antiquariate hatten ihn schon immer fasziniert. Man entdeckte oft die erstaunlichsten Dinge: Erstausgaben, signierte Exemplare, begehrte Raritäten. Als er den Duft der alten Bücher einatmete, kam ihm kurz der Gedanke, er könnte sich diese Duftnote vielleicht für ein Aftershave patentieren lassen.
Inzwischen war er der einzige Kunde. Er entfernte sich von der Kasse und schlenderte durch den Verkaufsraum. An den Romanen ging er vorbei, denn es erschien ihm ziemlich unsinnig, sie erst stapelweise zu verkaufen und sich dann gleich wieder neue zuzulegen. Stattdessen steuerte er auf die Abteilung Film und Fernsehen zu. Zwischen den wenigen Bänden, die unter dieser Rubrik einsortiert waren, fiel ihm sofort ein gebundenes Buch mit einem leuchtend gelben Rücken ins Auge.
Er war schon immer ein Fan von Judy Garland gewesen. Sie war einer der Lieblingsfilmstars seiner Mutter, und seit er denken konnte, hatte sie ihn mit Andy-Hardy-Filmen gefüttert. Er nahm den dicken Band aus dem Regal, blätterte begierig darin und betrachtete die vertrauten Fotos. Das Buch war ein echtes Kleinod. Als er den mit Bleistift auf der letzten Seite markierten Preis sah, zuckte er innerlich zusammen. Typisch für die alte Hexe, dachte er. Wenn er ihr etwas verkaufte, bekam er nur Peanuts dafür, aber wenn er etwas kaufen wollte -#
»Verzeihung«, hörte er eine Frauenstimme sagen. Sie klang schüchtern und hatte einen unverkennbaren französischen Akzent.
»Ja?« Er blickte auf und sah zwei schokoladenbraune Augen in einem blassen, herzförmigen Gesicht.
»Wollen Sie das Buch kaufen?«
Simon starrte die Frau an. Sie war wunderschön. Haut wie Mondschein, glänzendes braunes Haar und ein Gesichtsausdruck so zart wie ein Spinnennetz.
»Wie bitte?«
»Haben Sie vor, das Buch zu kaufen?«, fragte sie beinahe ängstlich.
»Äh – ich weiß nicht.«
»Oh.« Sie klang enttäuscht.
»Warum?«, fragte er, bestrebt, das Gespräch noch eine Weile fortzusetzen. Er hatte den Eindruck, dass sie drauf und dran war zu gehen, und er wollte nicht, dass sie ging – noch nicht.
»Sehen Sie, ich wollte es auch kaufen.«
»Ach, wirklich?« Simon suchte verzweifelt nach Gesprächsstoff, doch er konnte an nichts anderes denken als daran, wie schön die Fremde war. Eine so bezaubernde Frau hatte er noch nie gesehen. Erst recht nicht in Whitby. Sollte sich sein Glück gewendet haben? War er ihr begegnet, weil er Raum in seinem Leben geschaffen hatte, indem er sich von ein paar alten Büchern getrennt hatte? Wenn das der Fall war, dann tat es ihm Leid, dass er den Dachboden nicht schon früher aufgeräumt hatte.
Sie unterbrach ihn in seinen Gedanken. »Ich wollte das Buch kaufen, aber ich hatte nicht genug Geld dabei.«
Simon lächelte. »Die alte Hexe dahinten gibt keinen Rabatt, stimmt’s?«
Die Mondscheinfrau lächelte scheu. »Ich musste zum Geldautomaten gehen.«
»Und als Sie zurückkamen, hatte ich das Buch in der Hand?«
Plötzlich tauchte die Hexe auf. »Gibt es ein Problem?«, fragte sie barsch und schob ihre große Nase zwischen sie. Simon verzog das Gesicht.
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