Unter deinem Stern
nicht in Frage. Das war mein Vorschlag, und ich lade dich ein«, erwiderte Kristen und verschwand in Richtung Geldautomat, bevor Claudie sie daran hindern konnte.
Es gab nur eins, was Claudie ebenso sehr aus dem Konzept brachte wie der Ausfall eines Fernsehfilms wegen irgendeiner Sportübertragung, und das war das Betreten eines Pubs ohne Begleitung. Sie hatte jedes Mal schreckliche Angst aufzufallen, was ziemlich albern war, weil sich eigentlich niemand für sie interessierte. Einen Moment lang blieb sie vor der Tür stehen und wartete auf Kristen, aber die schien Probleme mit dem Geldautomaten zu haben. Ein eiskalter Wind war aufgekommen, und weil sie keine Lust hatte zu erfrieren, ging sie schließlich hinein.
Sie öffnete die Tür und spähte vorsichtig durch die dichte Qualmwolke. Lautes Gelächter und das Klicken von Billardkugeln erfüllten den Raum. Claudie sah ein paar Männer um einen Billardtisch herumstehen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Luke hatte immer gern Snooker gespielt. Oder war es Poolbillard gewesen? Oder Bandenbillard? Sie konnte sich nicht mehr genau erinnern.
Sie sah zu dem Tisch hinüber. In dem grellen Licht standen fünf Männer. Ein paar Sekunden lang schaute sie von der Tür aus zu. Einer der Männer stand mit dem Rücken zu ihr, aber irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor. Es waren seine Haare. Dicke hellblonde Locken.
Es war der Mann aus der Buchhandlung. Der ihr Judy Garland um ein Haar vor der Nase weggeschnappt hätte!
Als er sich kurz umdrehte, bestätigte sich Claudies Vermutung. Ihre Blicke begegneten sich für einen Moment. Er hatte sie zweifellos erkannt.
Wie seltsam, dachte Claudie. Erst weiß man überhaupt nicht, dass jemand überhaupt existiert, und dann läuft man diesem Jemand an jeder Ecke über den Weg.
»Himmelherrgott!«, hörte sie plötzlich Kristens Stimme hinter sich. »Diese verdammten Automaten. Das Ding hätte beinahe meine Karte gefressen, und dann wollte es keine Quittung ausspucken! Los, komm, Claudie, es ist zu kalt für einen Drink.« Kristen fasste sie am Ellbogen. »Lass uns lieber was essen gehen.«
»Und Jimmy, dieser Blödmann, schläft einfach ein!«, sagte Kristen so laut, dass ein Pärchen am Nachbartisch sich umdrehte. »Dafür hab ich so einen Aufriss gemacht!«
»Ich weiß. Ich war ja dabei, als du dir das Negligé gekauft hast. Für neununddreißig Pfund.«
»Neununddreißigneunundneunzig!«, stellte Kristen richtig. »Es war sogar reduziert. Rausgeworfenes Geld.«
»Wirklich eine Schande.«
Kopfschüttelnd bohrte Kristen ihren Löffel in den opulenten Eisbecher.
»Vielleicht war er einfach müde. Du könntest es ja noch mal probieren.«
»Müde? Dass ich nicht lache! Der macht doch den ganzen Tag nichts anderes als Schiffsmodelle bauen.«
»Das ist bestimmt sehr anstrengend für die Augen.«
»Claudie, du bist wirklich ein Engel.«
Bei dem Wort Engel zuckte Claudie unwillkürlich zusammen. »Nein, bin ich nicht!«
»Du würdest noch den Teufel in Schutz nehmen.«
»So schlecht ist Jimmy nun auch wieder nicht, oder?« Claudie hatte sich schon immer gut mit Jimmy verstanden, und sie wusste, dass er ein anständiger Kerl war. Kristen hatte keinen schlechten Fang mit ihm gemacht, und im Innersten ihres Herzens wusste sie das bestimmt.
Den Löffel auf halbem Weg zum Mund, stieß Kristen einen Seufzer aus, der die Boote im Hafen aufs Meer hinaus hätte treiben können. »Ich fühle mich einfach so –« Sie wedelte mit dem Löffel in der Luft, als könnte sie das richtige Wort damit einfangen, »so – ungeliebt.«
»Aber er liebt dich! Das weißt du ganz genau.« Claudie wurde ganz nervös. Sie sah, dass Kristens Augen sich mit Tränen füllten, die jeden Augenblick über ihre Wangen zu laufen drohten. »Er will dich doch nicht unglücklich machen. Komm schon! Versuch es heute Abend noch mal. Oder morgen. Und wenn er nicht reagiert, komm ich vorbei und zieh ihm die Ohren lang.«
Kristen lachte heiser und blinzelte ihre Tränen fort. »Ich stelle mich ziemlich albern an, stimmt’s?«
Claudie wusste, dass es sich um eine rhetorische Frage handelte, doch sie konnte nicht widerstehen, sie zu beantworten: »Ja.«
Kristen rang sich ein Lächeln ab. »Ich weiß auch nicht, was in letzter Zeit in mich gefahren ist.«
»Jimmy scheint es jedenfalls nicht zu sein.«
Kristen prustete los, das Gesicht puterrot. »Das kann ich dir garantieren! Ich hab schon ganz vergessen, was Sex überhaupt ist.«
Sie lachten so laut,
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