Unter deinem Stern
dieser Rumtreiber. Ich hätte mir denken können, dass er eines Tages hier auftauchen würde –«
Claudie hielt den Hörer von sich weg, als Kristen anfing, lauthals über Daniel herzuziehen, und zählte in Gedanken bis zehn. Als sie den Hörer wieder ans Ohr legte, war Kristen voll in Fahrt.
»Er ist ein Teufel, Claudie. Ein Teufel! «
»Meinst du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?«
»Ich glaube, du kapierst gar nicht, was ich dir sagen will, stimmt’s? Muss ich dich daran erinnern, wo er auf deiner Hochzeit mit der Hand hingelangt hat?«
»Komm schon, Kristen, es ist doch schön, wenn der Trauzeuge und die erste Brautjungfer sich gut verstehen.«
»Ja, aber deswegen braucht die Brautjungfer sich noch lange nicht befummeln zu lassen.«
Claudie verdrehte die Augen. Sie hatte keine Lust, sich das alles zum hundertsten Mal anzuhören.
»Wo ist er denn jetzt?«, wollte Kristen wissen.
»Er liegt auf dem Sofa und schläft.«
Kristen seufzte. »Sei bloß auf der Hut, Claudie, du weißt ja, was er für ein Typ ist. Er wird sich bei dir einnisten und deine Gastfreundschaft ausnutzen, bis du zwei Gorillas anheuerst, um ihn rauszuwerfen. Ich wette, deinen Kühlschrank hat er bereits leer gefressen!«
Claudie bemühte sich, nicht an das Abendessen zu denken, das Daniel nach dem zweiten Video zubereitet hatte. Sie würde heute auf jeden Fall einkaufen müssen.
»Claudie? Hab ich Recht?«
»Kristen, du hast immer Recht. Aber lass mich das auf meine Weise regeln, okay?«
»Was habt ihr denn gestern Abend gemacht?«
»Wir haben uns ein paar Videos angesehen.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Nein – wir haben Summer Stock und Eine Braut für sieben Brüder gesehen.«
Es dauerte eine Weile, bis Kristen diese Information verdaut hatte. »Hauptsache, er kommt nicht auf die Idee, mit dir ›Eine Braut für zwei Brüder‹ zu spielen.«
»Kristen! Red nicht so einen Blödsinn.«
»Dem traue ich alles zu. Der Typ ist nicht gut für dich, Claudie. Er ist ein Schnorrer. Wahrscheinlich ist er mal wieder auf der Flucht vor jemandem, dem er Geld schuldet. Er ist –«
»Lukes Bruder«, fiel Claudie ihr ins Wort.
Schweigen. »Lass dich nicht von ihm ausnutzen. Mehr wollte ich nicht sagen.«
»Okay«, seufzte Claudie. »Ich versprech’s dir.« Sie hörte Kristen mit der Zunge schnalzen. »Wie geht es dir denn überhaupt?«
»Ach, Claudie!«, flüsterte Kristen. »Du wirst es nicht für möglich halten – aber ich glaube, Jimmy plant irgendwas für unseren Hochzeitstag!«
»Wirklich?«
»Ja! Er will mir nicht sagen, was er vorhat. Es soll eine Überraschung sein.«
»Wie süß!«
»Trotzdem werde ich meine Vorfreude zügeln. Man weiß ja nie, was Jimmy sich unter einer Überraschung vorstellt – mit einer Tüte Fritten am Hafen auf einer Bank sitzen, die Schiffe bewundern und vom Sommer träumen.«
Claudie kicherte.
»Also noch mal: Lass dich nicht von Daniel ausnutzen, okay?«
Claudie hörte ihrer Freundin geduldig zu und sagte an den richtigen Stellen ja und nein, denn sie wusste, dass dies ihre einzige Chance war, Kristen wieder loszuwerden. Als sie den Hörer auflegte, verdrehte sie stöhnend die Augen. Sie mochte Kristen sehr, aber manchmal fühlte sie sich von ihr wie ein kleines Kind behandelt.
Sie ging ins Wohnzimmer und öffnete die Vorhänge, um ein bisschen Frühlingssonne hereinzulassen.
»Morgen!«, brummte Daniel, den Kopf unter der Decke.
»Gut geschlafen?«
»Wie ein Baby«, sagte er und schlug die Decke zurück. Claudie wandte sich hastig ab, als sie eine rot-grüne Schlange erblickte, die sich von Daniels Brustbein bis zum Nabel wand.
»Ich mache uns Frühstück«, sagte sie und flüchtete in die Küche.
Daniel folgte ihr. »Was unternehmen wir heute?«, fragte er, auf die Spüle gestützt.
»Ich hatte nichts Bestimmtes vor«, erwiderte sie und betete, die Spüle möge unter seinem Gewicht nicht zusammenbrechen.
»Wollen wir uns noch einen Film ansehen?«
»Daniel, wir können doch nicht von morgens bis abends in der Bude hocken und uns einen Film nach dem anderen reinziehen.«
»Warum nicht?«
Claudie wurde ganz verlegen, als er sie mit seinen blauen Augen ansah. Sie fühlte sich regelrecht durchschaut. Als wüsste er ganz genau, was sie tagsüber trieb, wenn sie allein war.
»Meinst du nicht, wir sollten ein bisschen an die frische Luft gehen?« Auf keinen Fall wollte sie den ganzen Tag mit Daniel allein in ihrem winzigen Haus verbringen. Das würde sie nicht verkraften.
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