Unter deinem Stern
und Daniel ins Haus zu bitten. Sie hatte Teewasser aufgesetzt, während er ins Wohnzimmer gegangen war und seinen riesigen Rucksack abgestellt hatte.
Dann war er zurück in die Küche gekommen, hatte ihr einen Kuss auf die Wange gedrückt und den Küchenschrank geöffnet, um nachzusehen, ob er etwas Essbares enthielt. Typisch Daniel, dachte sie, während sie eine Dose Suppe öffnete und ein Baguette in den Ofen schob. Er hatte schon immer das Talent besessen, sich überall zu Hause zu fühlen.
Nachdem sie gegessen hatten, setzten sie sich ins Wohnzimmer. Er hatte kaum etwas gesagt, und nachdem er seine Suppe aufgelöffelt hatte, war er aufgestanden, hatte sich zwei Eier gebraten, die er in Claudies Kühlschrank gefunden hatte, und den Rest ihrer Pizza vom Vorabend verschlungen.
»Wie bist du denn nach Whitby gekommen?«, fragte Claudie, denn sie wusste, dass eine Zugfahrt von London nach Whitby sehr teuer war und Daniel nie Geld hatte.
»Ich bin getrampt.«
»Mensch, Daniel! Weißt du eigentlich, wie gefährlich das ist?«
»Ich schätze, dass die Fahrer mehr Angst vor mir haben als ich vor ihnen.«
Claudie lächelte. »Ein Wunder, dass dich überhaupt jemand mitgenommen hat.«
»Was hast du denn für heute Abend geplant?«, erkundigte er sich, während er sich in Claudies Lieblingssessel zurücklehnte.
Sie lächelte verlegen, denn sie traute sich nicht, ihm zu erzählen, dass sie vorgehabt hatte, sich die Zeit mit Musicals zu vertreiben.
»Du bist heute ziemlich früh nach Hause gekommen«, bemerkte er.
»Na ja, früher als gewöhnlich«, sagte sie. »Mein Chef hat mir die Woche freigegeben.«
»Ach ja? Fantastisch!«, rief Daniel begeistert aus. »Dann können wir die Zeit ja gemeinsam verbringen.«
»Hast du auch Urlaub?«, fragte Claudie zögernd.
»So könnte man es sagen.«
»Du hast doch nicht schon wieder deinen Job –«
»Tja«, sagte er und hob die Schultern genauso, wie Luke es immer getan hatte.
»Das kann doch nicht wahr sein! Wie oft hast du das jetzt gemacht?«
Daniel tat so, als würde er an den Fingern abzählen. »Ziemlich oft.«
»Wie schaffst du es bloß, zu überleben?«
»Mach dir deswegen mal keine Sorgen«, sagte er. Wahrscheinlich schläft er die halbe Zeit bei irgendwelchen Freunden auf dem Sofa und lässt sich von denen durchfüttern, dachte Claudie. Ob er sich je ändern würde? Sie mochte Daniel, aber offenbar hatte er nie gelernt, das Leben ernst zu nehmen.
Was sollte sie eine ganze Woche lang mit ihm anfangen? Sie überlegte ziemlich ratlos, wie sie die Zeit mit ihm verbringen sollte. Doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte er die Regale in der Zimmerecke entdeckt.
»Ich werd verrückt! Sind das alles Filme?«
Claudie nickte zaghaft. »Willkommen in meiner heimlichen Welt.«
»Das müssen ja hunderte sein.«
»Du kannst dir einen ansehen, wenn du willst«, sagte sie, obwohl sie wusste, dass ihn ihre Filme nicht interessieren würden.
»Hast du vielleicht Blade Runner?«
»Äh – nein.«
»Police Academy?«
»Ich glaube nicht.«
Daniel stand auf und trat an das Regal. »Diese Titel hab ich alle noch nie gehört. Du hast nicht zufällig Wilde Hunde in deiner Sammlung?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Sieh mal einer an. Das zauberhafte Land. Den hab ich tatsächlich mal gesehen.«
Claudie beobachtete, wie er die Titel las, den Kopf schief gelegt, sodass seine Haare wie ein dunkler Vorhang vor sein Gesicht fielen.
»Was kannst du mir denn empfehlen?«
»Eigentlich alle«, sagte sie und hoffte inständig, er würde nicht vorschlagen, dass sie sich ausgerechnet Die lustige Witwe ansahen. Diesen Film konnte sie noch nicht ertragen.
»Ich will mir unbedingt einen ansehen.«
»Ist das dein Ernst?«
Er drehte sich um und schaute sie an. »Klar. Warum nicht?«
»Du nimmst mich doch auf den Arm, oder?«
»Überhaupt nicht. Komm schon, Claudie, suchen wir einen aus.«
Claudie zuckte hilflos die Achseln. Luke hatte von Anfang an von ihrer Leidenschaft gewusst, und er hatte sie oft damit aufgezogen, aber er hatte sich nie mit ihr aufs Sofa gesetzt und sich einen von ihren geliebten Filmen mit ihr angesehen, bis auf Singin ’ in the Rain. Daniel dagegen schien es ernst zu meinen.
Sie trat an das Regal und streckte die Hand nach einem vertrauten Video aus.
»Also, die meisten sind Musicals.«
»Das ist mir nicht entgangen«, sagte er. »Man ist nie zu alt, um was Neues kennen zu lernen.«
Claudie grinste. Wahrscheinlich hat er keinen blassen Schimmer, worauf
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