Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Banner von Dorsai

Unter dem Banner von Dorsai

Titel: Unter dem Banner von Dorsai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R Dickson
Vom Netzwerk:
üblich war. Doch jetzt, da nur eine Armeslänge zwischen uns lag, sah ich etwas anderes: die Andeutung eines müden und erschöpften Lächelns, das in seinem dunklen und jungen Gesicht für einen Augenblick die Winkel seines geraden Mundes umspielte.
    „Das ist meine Pflicht, Mr. Olyn.“
    „Eine seltsame Pflicht“, gab ich zurück. „Wenn man bedenkt, daß Sie von Ihren Vorgesetzten auf Harmonie längst abgeschrieben worden sind.“
    „Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt“, erwiderte er ruhig. „Die Auserwählten des Herrn lassen sich nicht gegenseitig im Stich.“
    „Sind Sie sich dessen sicher?“ fragte ich.
    Erneut sah ich den geisterhaften Hauch eines schwachen und müden Lächelns.
    „Das ist ein Fachgebiet, Mr. Olyn, auf dem ich bewanderter bin als Sie.“
    Ich sah in seine Augen. Sein Blick war erschöpft, aber dennoch ruhig und gelassen.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit kurz dem Schreibtisch zu, auf dem noch immer das Bild mit dem älteren Mann, der Frau und dem jungen Mädchen vor der Kirche stand.
    „Ihre Familie?“ fragte ich.
    „Ja“, sagte er.
    „Sicher denken Sie in Augenblicken wie diesem an sie.“
    „Ich denke ziemlich oft an sie.“
    „Aber trotzdem ziehen Sie hinaus ins Feld und damit dem sicheren Tod entgegen.“
    „Ja“, sagte er. „Trotzdem.“
    „Selbstverständlich!“ sagte ich. „Natürlich tun Sie das!“ Ich war ihm ruhig und selbstbeherrscht gegenübergetreten. Jetzt aber war es, als stürzten die Mauern ein, die all das zurückhielten, was in meinem Innern seit Daves Tod brodelte und schäumte. Ich begann zu beben. „Denn genau so scheinheilig und heuchlerisch sind Sie auch – seid ihr Quäker alle. Eure eigenen Lügen haben euch innerlich so verrotten und verfaulen lassen, daß nichts von euch übrigbliebe, nähme man sie euch fort. Nicht wahr? Deshalb würden Sie nun eher sterben als zuzugeben, daß Sie hiermit Selbstmord begehen und dies nicht die glorreichste Sache des ganzen Universums ist. Sie würden eher sterben als zuzugeben, genauso voller Zweifel wie alle anderen zu sein – und genauso viel Angst zu haben.“
    Ich trat ganz nahe an ihn heran. Er rührte sich nicht.
    „Wen wollen Sie hier zum Narren halten?“ fragte ich. „Wen? Ich durchschaue Sie, genau wie die Menschen aller anderen Welten auch! Ich bin davon überzeugt, Sie wissen ebenfalls, was für ein Popanz Ihre Vereinigte Kirche ist, was für ein fauler Zauber. Ich bin davon überzeugt, Sie wissen ebenfalls, daß der von euch so schrill besungene Ruhm des Lebens nicht das ist, was ihr behauptet. Ich weiß, daß euer Ältester Strahlende und seine Clique aus engstirnigen alten Männern nur eine Bande machthungriger Tyrannen ist, die sich einen Dreck um Religion oder sonst etwas schert, solange sie erreicht, was sie will. Ich weiß, daß Sie das ebenfalls wissen – und ich werde dafür sorgen, daß Sie es sich eingestehen!“
    Und ich hielt ihm die Notiz vor die Nase.
    „Lesen Sie das!“
    Er nahm sie mir aus der Hand.
    Ich trat von ihm zurück und bebte vor Zorn, während ich ihn beobachtete.
    Er betrachtete die Nachricht eine ganze Weile, und ich hielt den Atem an. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Dann reichte er mir die Notiz zurück.
    „Soll ich Sie zu Graeme mitnehmen?“ fragte ich. „Wir können die Stellungen mit dem Luftwagen des Außenbürgen überqueren, und Sie können die Kapitulation hinter sich bringen, bevor es zu irgendwelchen Gefechten kommt.“
    Er schüttelte den Kopf. Er sah mich ganz gelassen an, mit einem Gesichtsausdruck, den ich nicht verstehen konnte.
    „Was meinen Sie damit … nein?“
    „Sie bleiben besser hier“, sagte er. „Der Luftwagen könnte unter Feuer genommen werden, trotz der Botschaftsflagge.“ Und er wandte sich um, als sei das Gespräch damit beendet und als wollte er das Büro verlassen.
    „Wohin gehen Sie?“ schrie ich ihm nach. Ich drängte mich vor ihn und hielt ihm erneut die Notiz vors Gesicht. „Das hier ist eine Tatsache. Davor können Sie Ihre Augen nicht verschließen!“
    Er verharrte und sah mich an. Dann umfaßte er mein Handgelenk und schob Arm samt Notiz beiseite. Seine Finger waren dünn, aber viel kräftiger, als ich gedacht hatte. So zwang er mich, den Arm gegen meinen Willen vor ihm sinken zu lassen.
    „Ich weiß, daß es eine Tatsache ist. Und nun rate ich Ihnen gut, sich nicht länger in meine Angelegenheiten einzumischen. Ich muß jetzt gehen.“ Er schritt an mir vorbei und hielt auf die Tür

Weitere Kostenlose Bücher