Unter dem Banner von Dorsai
Fehler gemacht anzunehmen, sie versuchte mich zu verführen. Aber es war etwas Bedeutsameres als das.
Ich hätte sie auf der Stelle fragen können, was sie meinte – aber ich war gerade erst wieder zu mir gekommen und vorsichtig geworden. Ich wechselte das Thema – ich glaube, ich forderte sie auf, eine Runde mit mir zu schwimmen oder etwas ähnliches –, und ich kam erst einige Tage später wieder auf diese Thematik zurück.
Bis dahin hatte sich mir – da ich nun wach und auf der Hut war – eine Möglichkeit geboten, mich umzusehen und herauszufinden, woher dieses Echo stammte und was die Beeinflussungsmethoden der Exoten bei mir verursachten. Sie manipulierten mich auf subtile Weise, durch eine geschickte Abstimmung eines totalen Drucks von Umwelteinflüssen. Es war ein Druck, der mich nicht in diese oder jene Richtung zu lenken versuchte, der mich vielmehr fortwährend dazu zwang, mich am Haltepunkt meiner eigenen Existenz festzuklammern und mich selbst zu steuern. Kurzum: Das Gebäude, in dem ich untergebracht war, das Wetter, das es in strahlendes Licht tauchte, die kahlen Wände und Möbel und Farben und Formen im Innern … das alles war so konstruiert, daß es auf subtile Weise zusammenwirkte, um mich zum Leben zu zwingen – nicht nur zum Leben, sondern dazu, aktiv zu leben, freudig und bejahend. Es war nicht nur ein Zufriedenheit initiierender Aufenthaltsort – es war ein aufregender Platz, eine stimulierende Umgebung, die mich völlig in Anspruch nahm.
Und Lisa war ein funktioneller Bestandteil davon.
Als ich meine Depressionen abstreifte, begann ich folgendes festzustellen: Nicht nur die Farben und Formen der Möbel und des Gebäude selbst änderten sich mit jedem Tag, sondern auch Lisas Wahl der Gesprächsthemen, ihr Tonfall, ihr Lachen und das alles, um auch weiterhin einen maximalen Druck auf meine eigenen, sich entfaltenden und verändernden Empfindungen auszuüben. Ich glaube, nicht einmal Lisa verstand, wie die verschiedenen Teile kombiniert werden mußten, um diesen Gestalteffekt hervorzurufen. Man hätte gebürtiger Exote dazu sein müssen, um dies zu begreifen. Aber sie verstand ihre eigene Rolle darin – bewußt oder unbewußt. Und sie spielte sie.
Es war mir gleich. Als ich mich selbst heilte, verliebte ich mich in sie, ganz automatisch und unausweichlich.
Seit ich aus den engen Grenzen des Hauses meines Onkels ausgebrochen und mir über meine eigenen Kräfte von Körper und Geist klargeworden war, hatte ich nie Schwierigkeiten gehabt, Frauen für mich zu gewinnen. Das trifft ganz besonders auf die hübschen unter ihnen zu, die oft ein außergewöhnliches Verlangen nach Zuneigung aufweisen, das ebenso oft unbefriedigt bleibt. Aber bis auf Lisa haben all diese Frauen ihre Anziehungskraft auf mich verloren und sind, ob hübsch oder nicht, zu farblosen Schatten geworden. Es war, als finge ich fortwährend Nachtigallen ein, die ich dann mit nach Hause nahm, nur um am nächsten Morgen festzustellen, daß sie über Nacht zu gewöhnlichen Spatzen geworden waren und sich ihr melodischer Gesang zu einem monotonen Zwitschern reduziert hatte.
Dann war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich feststellte, daß es meine eigene Schuld war: Ich war es, der sie in Nachtigallen verwandelt hatte. Irgendeine Charaktereigenschaft, die sie zufällig aufwiesen, irgendeine Eigentümlichkeit an ihnen hatte mich wie mit einer Rakete über die Wolken getragen. Meine Phantasie war davongesegelt, und meine Zunge mit ihr: Nur mit Worten hatte ich uns beide hinausgetragen und zu einem Ort aus strahlendem Licht und würziger Luft und grünem Gras und plätscherndem Wasser gebracht. Und dort hatte ich uns ein Schloß aus Licht und Luft und Versprechungen und glänzender Pracht gebaut.
Und immer waren sie ganz begeistert von diesem Schloß. Glücklich kletterten sie auf meine Schwingen aus Phantasie, und ich war davon überzeugt, daß wir gemeinsam hinausflogen. Später aber, am folgenden Tag, wurde mir die Tatsache deutlich, daß das Licht verblaßt und der Gesang verstummt waren. Weil sie nicht wirklich an mein Schloß geglaubt hatten. Es war durchaus in Ordnung, von solchen Dingen zu träumen, aber nicht, sich vorzustellen, sie in gewöhnlichen Stein zu verwandeln, in Holz und Glas und Ziegel. Wenn mich die Wirklichkeit auf diese Weise einholte, erwies sich ein Schloß als Verrücktheit, und ich schob diese Vorstellung zugunsten einer realeren Behausung beiseite: ein Haus aus gegossenem Beton vielleicht, wie das
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