Unter dem Banner von Dorsai
militärische Gleichgewicht wiederherzustellen.“ Ich atmete tief durch „Nun, um es mit wenigen Worten auszudrücken: Er landete schließlich in dem gleichen Feldzug, über den ich berichtete. Und aufgrund der Serie, die ich schrieb, sorgte ich dafür, daß er zu mir abkommandiert wurde. Wir beide glaubten, dies sei das beste für ihn, auf diese Weise sei er sicher.“
Wieder nahm ich einen Schluck von dem Whisky.
„Doch wissen Sie“, sagte ich, „die besseren Geschichten findet man immer dann, wenn man dem Kampfgeschehen ganz nahe ist. Eines Tages, als sich die Truppen von Neuerde zurückzogen, gerieten wir zwischen die Fronten. Ich wurde verwundet, von einem Nadelgeschoß, das durch meine Kniescheibe drang. Die Artillerie der Quäker kam näher, und die Lage wurde wirklich ungemütlich. Die Soldaten um uns herum machten sich eilig an den Rückzug, doch Dave versuchte mich zu tragen, denn er fürchtete, die Artilleristen der Quäker würden mich umpusten, ohne sich die Zeit zu nehmen festzustellen, daß ich ein Zivilist war. Nun“, ich atmete erneut tief durch, „dann erwischten uns die Infanterieeinheiten der Quäker. Sie brachten uns zu einer Art Lichtung, wo sie eine Menge Gefangene untergebracht hatten, und dort behielten sie uns eine Weile. Dann tauchte ein Gruppenführer auf – einer dieser fanatischen Typen, ein hochgewachsener Soldat, der etwa in meinem Alter war und so aussah, als sei er kurz vor dem Verhungern. Er hatte den Befehl, dafür zu sorgen, daß sich die Infanteristen zu einer Kampftruppe zusammenschlossen, um einen neuen Angriff durchzuführen.“
Ich hielt inne und nahm einen weiteren Schluck. Doch der Whisky blieb beinahe geschmacklos für mich.
„Das bedeutete, sie konnten keine Männer erübrigen, um die Gefangenen zu bewachen. Sie mußten sie hinter den Linien der Quäker freilassen. Der Gruppenführer hielt das für ein Unding. Sie hätten sicherzustellen, daß die Gefangenen ihnen nicht gefährlich werden konnten.“
Graeme betrachtete mich noch immer.
„Ich begriff nicht. Ich verstand noch nicht einmal, als die anderen Quäker – keiner von ihnen war Unteroffizier wie der Gruppenführer – protestierten.“ Ich stellte das Glas auf dem Tisch neben mir ab und starrte an die Wand des Büros. Erneut sah ich es vor mir, so klar und deutlich, als blickte ich durch ein Fenster auf diese Szene. „Ich erinnere mich noch, wie der Gruppenführer sich ganz aufrichtete und den Kopf hob. Ich sah in seine Augen. Es war, als beleidigte ihn der Protest der anderen.
,Sind Sie Auserwählte Gottes?’ rief er ihnen zu. ‚Gehören Sie zu den Auserwählten?’“
Ich sah zu Kensie Graeme. Er saß noch immer bewegungslos da und beobachtete mich. Sein eigenes Glas wirkte klein und zerbrechlich in seiner großen Hand.
„Verstehen Sie?“ fragte ich ihn. „Als ob die Gefangenen überhaupt keine Menschen wären, nur weil es sich bei ihnen nicht um Quäker handelte. Als wären sie so etwas wie Untermenschen, und als sei es deshalb ganz in Ordnung, sie umzubringen.“ Ich schauderte plötzlich. „Und er brachte sie um! Ich saß an einen Baumstumpf gelehnt – geschützt durch meine Uniform, die mich als Neuigkeiten-Ermittler auswies –, und ich sah zu, wie er sie niederschoß. Sie alle. Ich saß dort und blickte Dave an, und er saß am Boden und sah mich an, als ihn der Gruppenführer erschoß.“
Und damit brach ich jäh ab. Es war nicht meine Absicht gewesen, alles auf einmal und auf diese Weise zu erzählen. Es war einfach so, daß ich niemandem hatte erzählen können, wie hilflos ich gewesen war … niemandem, der es verstanden hätte. Doch irgend etwas an Graeme gab mir den Eindruck, daß er verstehen würde.
„Ja“,
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