Unter dem Banner von Dorsai
sagte er nach einem Augenblick, nahm mein Glas und füllte es wieder. „Ein solches Erlebnis ist wirklich schlimm. Ist der Gruppenführer gefangen und nach dem Söldnerkodex verurteilt worden?“
„Nachdem es zu spät war, ja.“
Er nickte und blickte an mir vorbei auf die Wand. „Natürlich sind sie nicht alle so.“
„Es gibt genug, um ihnen allen einen solchen Ruf zu geben.“
„Leider ja. Nun“, er sah mich mit einem Lächeln an, „wir wollen und werden diesen Feldzug von solchen Sachen reinhalten.“
„Sagen Sie mir eines“, antwortete ich und setzte mein Glas ab. „Ist eine solche Sache – wie Sie es ausdrücken – jemals den Quäkern selbst zugestoßen?“
Irgend etwas veränderte sich in der Atmosphäre des Zimmers. Er zögerte kurz, bevor er antwortete. Während ich auf seine Erwiderung wartete, spürte ich, wie mein Herz langsamer schlug, dreimal in der Stille.
„Nein, das ist es nicht“, sagte er schließlich.
„Warum nicht?“ fragte ich.
Die Spannung, die plötzlich in der Luft lag, verstärkte sich. Und ich begriff, daß ich es zu rasch vorangetrieben hatte. Die ganze Zeit über hatte ich zu ihm als Menschen gesprochen und dabei vergessen, was er außerdem war. Jetzt begann ich zu vergessen, daß er ein Mensch war, und statt dessen wurde er mir als Dorsai bewußt – ein Individuum, das so menschlich war wie ich, das aber auf eine lebenslange Ausbildung zurückblicken konnte und dessen genetische Entwicklung über all die Generationen hinweg zu einem Unterschied geführt hatte. Er bewegte sich nicht, noch veränderte er seinen Tonfall oder etwas in der Art. Doch irgendwie schien er die Entfernung zu mir zu vergrößern und in ein höher gelegenes, kälteres und steinigeres Land zu klettern, in das ich mich nur auf eigene Gefahr vorwagen konnte.
Ich erinnerte mich an das, was man über die Menschen dieser kleinen, kalten Welt mit den nackten, felsigen Bergen gesagt hatte: Wenn die Dorsai sich entschlössen, ihre Soldaten aus den Diensten für die anderen Welten zurückzuziehen und sie gegen diese Welten ins Felde zu führen, dann könnte ihnen nicht einmal die vereinte Macht des Rests der Zivilisation standhalten. Zuvor hatte ich das niemals wirklich geglaubt. Eigentlich hatte ich nicht einmal viel darüber nachgedacht. Aber in diesem Augenblick, als ich diesem Mann gegenübersaß und spürte, was im Zimmer vor sich ging, wurde es mir plötzlich bewußt. Es stimmte tatsächlich, und dieses Wissen wehte mir so kalt entgegen wie die mir über einen Gletscher hinweg ins Gesicht heulenden Sturmwinde. Und dann beantwortete er meine Frage.
„Weil so etwas“, sagte Kensie Graeme, „ausdrücklich von Artikel zwei des Söldnerkodexes verboten wird.“
Dann wurde der Ernst in seinem Gesicht ohne Übergang von einem Lächeln ersetzt, und die Spannung im Zimmer, die ich gerade verspürt hatte, löste sich auf.
„Nun“, sagte er und stellte sein Glas leer auf den Tisch, „wie wäre es, wenn Sie zu uns in die Offiziersmesse kommen und mit uns zusammen essen?“
Ich nahm das Abendessen mit ihm gemeinsam ein, und die Mahlzeit war sehr wohlschmeckend. Sie wollten mich für die Nacht bei sich unterbringen, doch ich konnte fühlen, wie es mich zum kalten und düsteren Lager nahe Josefstadt zurückzog – wo mich nur eine Art von kalter und bitterer Befriedigung darüber erwartete, unter meinen Feinden zu weilen.
Ich fuhr zurück.
Es war ungefähr elf Uhr abends, als ich das Lagertor passierte.
Und als ich den Wagen parkte, trat gerade jemand aus dem Eingang zu Jamethons Hauptquartier heraus. Das Karree war von einigen wenigen Scheinwerfern an den Wänden nur matt beleuchtet, und das Licht verlor sich auf dem regennassen Pflaster. Einen
Weitere Kostenlose Bücher