Unter dem Banner von Dorsai
Augenblick lang konnte ich nicht erkennen, wer der Mann war – und dann sah ich, daß es sich um Jamethon handelte.
Er wäre in einem gewissen Abstand an mir vorbeigegangen, doch ich stieg aus meinem Wagen aus und schritt auf ihn zu. Er blieb stehen, als ich vor ihn trat.
„Mr. Olyn“, sagte er ruhig. In der Dunkelheit konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht ausmachen.
„Ich habe eine Frage, die ich Ihnen stellen möchte“, sagte ich und lächelte in der Finsternis.
„Es ist ziemlich spät für Fragen.“
„Diese wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen.“ Ich bemühte mich, den Ausdruck seines Gesichts zu erkennen, aber ich sah nur Schatten. „Ich habe das Lager der Exoten besucht. Ihr Kommandeur ist ein Dorsai. Ich nehme an, Sie wissen das?“
„Ja.“ Ich konnte kaum die Bewegung seiner Lippen sehen.
„Wir haben uns unterhalten. Dabei ergab sich eine Frage, und ich dachte, die sollte ich Ihnen stellen, Kommandeur. Würden Sie Ihren Männern jemals befehlen, Gefangene umzubringen?“
Für einen Augenblick herrschte ein seltsames Schweigen zwischen uns. Dann antwortete er.
„Das Töten oder Mißhandeln von Kriegsgefangenen“, gab er unbewegt zurück, „wird von Artikel zwei des Söldnerkodexes verboten.“
„Aber Sie sind keine Söldner hier, oder? Sie sind eine geschlossene Quäker-Streitmacht, die für Ihre eigene Wahre Kirche und die Ältesten kämpft.“
„Mr. Olyn“, sagte er, während ich mich weiterhin vergeblich bemühte, den Ausdruck seines von Schatten eingehüllten Gesichts auszumachen – und die Worte schienen in die Länge gezogen zu sein, obwohl der Tonfall der Stimme, die sie sprach, so ruhig und gelassen war wie immer, „mein Herr hat mich zu Seinem Diener und zu einem Führer Seiner Soldaten gemacht. Bei keiner dieser beiden Aufgaben werde ich versagen.“
Und damit wandte er sich um – sein Gesicht lag noch immer im Schatten und war mir somit verborgen – und ging.
Ich kehrte allein in meine Unterkunft zurück und machte mir gedanklich Notizen darüber, was ich am nächsten Tag erledigen mußte. Die Begegnung mit Padma hatte mich ziemlich durcheinandergebracht. Seltsam: Irgendwie hatte ich es beinah fertiggebracht zu vergessen, daß seine Berechnungen der Handlungen von Menschen auch auf mich persönlich Anwendung finden konnten. Es erschütterte mich nun, daran erinnert zu werden. Ich mußte mehr darüber herausfinden, wieviel seine Wissenschaft der Ontogenetik wußte und voraussehen konnte. Falls nötig, von Padma selbst. Aber zunächst würde ich mit der Nachforschung bei gewöhnlichen Bezugsquellen beginnen.
Niemand, dachte ich, würde ohne weiteres auf den phantastischen Gedanken kommen, daß ein einzelner Mann wie ich eine Kultur zerstören konnte, die die Bevölkerungen zweier Planeten umfaßte. Niemand – außer Padma vielleicht. Was ich wußte, hatte er möglicherweise mit seinen Kalkulationen entdeckt. Und das war folgendes: Die beiden Quäkerwelten Harmonie und Eintracht standen vor einer Entscheidung, die Leben oder Tod für ihre ganze Lebensweise bedeuten mochte. Selbst eine ganz unbedeutende Sache konnte den entscheidenden Ausschlag zu dieser oder jener Seite geben. Ich dachte an meinen Plan und liebkoste ihn in meinen Gedanken.
Denn jetzt wehte ein neuer Wind zwischen den Sternen.
Vor vierhundert Jahren waren wir alle Menschen der Erde gewesen … von Alterde, dem Mutterplaneten, der meine Heimat war – eine einzige Menschheit.
Dann, mit der Abwanderung zu neuen Welten, hatte sich die menschliche Rasse „zersplittert“, um einen Ausdruck der Exoten zu verwenden. Jedes einzelne soziale Fragment, jeder psychologische
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