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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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einer Fernsehshow, wo sie so gut wie nichts zu tun hatte (ein Schild über ihrem Schreibtisch stellte die gute Frage: »Was TUT Vanessa eigentlich?«) – und reiste mit dem Rucksack per Zug, Autobus, Boot und auf Schusters Rappen durch Afrika. Als sie nach Hause zurückkehrte, war sie braungebrannt, aber auch abgemagert, weil sie zu schwach und zu höflich gewesen war, die ihr angebotenen Lebensmittel abzulehnen, egal wie lange sie mit Fliegen übersät in der Sonne gelegen hatten (weshalb sie große Teile ihrer Zeit damit verbracht hatte, am Arsch der Welt nach einigermaßen sauberen Klos zu suchen). Neugierig löcherte ich sie mit Fragen über Kenia. Hatte sie Mums Kindheitshaus besucht? War das Licht tatsächlich so perfekt? Hatte sie Pakka-Pakka-Sahibs kennengelernt? Aber Vanessa wusste enttäuschend wenig über Kenia zu erzählen. Sie war nur bis Nakuru gekommen, um sich das Krankenhaus anzusehen, in dem sie zur Welt gekommen war, dann hatte sie vierzehn Tage an der Küste in einem billigen Hotel gewohnt, das sich als Bordell entpuppte.
    »Die ganze Nacht haben Männer an die Tür geklopft«, sagte sie. »Kissy-Kissy fünf Schillinge.«
    »Wie aufregend«, sagte ich.
    »Verflucht, Bobo«, sagte Vanessa, »du bist schlimmer als Großonkel Dicken.« Sie schloss die Augen. »Nein, es war nicht aufregend. Es war widerlich.«
    Ich verließ mein Elternhaus, heiratete und zog mit meinem amerikanischen Ehemann nach Wyoming. Dort setzte ich das Geschäft des Kindergroßziehens fort und schrieb das grässliche Buch. Zum ersten Mal in meinem Leben bot sich mir die Gelegenheit, nach Kenia zu reisen und mir das Land mit eigenen Augen anzuschauen, aber ohne Mum erschien mir eine solche Reise ziemlich sinnlos, und Mum redete nicht mit mir, umso weniger wäre sie bereit zu einer Familienreise. Und dann, zwei Jahre nach der Veröffentlichung des grässlichen Buchs, kam Tante Glug die geniale Idee, zu einem Treffen ihrer Highschoolklasse nach Kenia zu reisen. Sie rief mich an, um mir diesen Plan mitzuteilen, und bat mich um Mums und Dads Telefonnummer in Sambia.
    »Du wirst ihnen schreiben müssen«, sagte ich. »Sie gehen seit Monaten nicht ans Telefon.«
    »Das sieht ihnen ähnlich«, sagte Tante Glug.
    »Es könnte mit dem grässlichen Buch zu tun haben«, erwiderte ich.
    »So, na ja«, sagte Tante Glug.
    »Ich würde gerne mit zu diesem Treffen kommen«, sagte ich.
    »Du bist keine Ehemalige«, wandte Tante Glug ein.
    »Immerhin eine Gestrige«, sagte ich.
    Ich hörte Tante Glug an ihrer Zigarette ziehen.
    »Bitte, liebe Tante«, bettelte ich.
    »Gut, wenn du partout mitwillst, Rüsselkäfer«, sagte Tante Glug, »dann ist es auch dein Job, deine Eltern zum Mitkommen zu überreden.«
    Nicola Fuller of Central Africa war zuerst gar nicht begeistert von der Idee eines Ehemaligentreffens: »Das ist nicht mein Ding.« Sie verzog das Gesicht. »Alle tun so, als freuten sie sich wie verrückt, Leute wiederzusehen, an die sie seit vierzig Jahren keinen Gedanken verschwendet haben.«
    Wir saßen unter dem Baum des Vergessens auf der Fisch- und Bananenfarm meiner Eltern und hatten einen Tetrapack mittelmäßigen südafrikanischen Weins gut zur Hälfte geleert. Ich musste nonchalant und überzeugend zugleich sein, versuchen, an Mums hoch entwickelten Abenteuersinn zu appellieren, ohne ihr noch viel höher entwickeltes Misstrauen zu wecken (das seit der Veröffentlichung des grässlichen Buchs auf Stufe rot geschaltet war). Sie trank einen Schluck Wein. »Dann kommt noch dazu«, sagte sie, »dass die natürlich alle das grässliche Buch gelesen haben und zählen, wie viel Gläser ich trinke. Wie mir das stinkt.«
    »Vielleicht besaufen die sich ja auch.«
    Mum überhörte die Bemerkung. »Oder sie kriegen sich nicht mehr ein über das glückselige Lächeln der Einheimischen.« Ihre Augenbraue versank hinter dem oberen Rand des Weinglases. »Ist doch kein Wunder, dass die ständig lächeln – damit erweckt man am wenigsten Misstrauen.«
    Mir gingen die Argumente aus. »Tja, aber es war immerhin die Schule, auf die du gerne gegangen bist«, sagte ich.
    Wenigstens das entsprach der Wahrheit. Ein Ehemaligentreffen des Klosters wäre nicht in Frage gekommen, aber hier ging es um die Highlands School, die Mum und Tante Glug danach besucht hatten. Anders als das Kloster hatte die Highlands School einen seriösen Lehrplan, eine gute Kunstlehrerin, und summa summarum war Mum während ihrer vier Jahre dort nicht unglücklich gewesen. »Deshalb

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