Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
verworfen, und beide waren sich einig, dass Karten für die »Night of the Proms« das Budget und die Trommelfelle sprengten. »Dieses fürchterliche Gebrüll in der Albert Hall«, meinte Kevin nur, kippte seinen Brandy hinunter und stellte sich das leere Glas verkehrt herum auf den Kopf. Dad stierte seinen Nachbarn einen Augenblick lang an, dann sprang er vom Stuhl auf. »Genau! Ein Hut! Auf Hüte fährt sie total ab! Wie wär’s mit einem Hut?«
»Ein Hut?«, wiederholte Kevin skeptisch.
»Okay, dann eben ein Hut mit Kleid«, sagte Dad.
Also fuhren die beiden Männer die High Street rauf und runter, bis sie eine einigermaßen trendig aussehende Boutique gefunden hatten. »Ihr Tag ist gerettet«, rief Dad der Frau hinter dem Tresen entgegen. »Barzahler! Gibt’s Rabatt für gutes Benehmen?«
Kevin hatte sich schon in einen Sessel neben der Umkleidekabine plumpsen lassen.
»Beachten Sie ihn gar nicht«, riet Dad der Verkäuferin. »War ’n anstrengender Tag. Und, was haben Sie in dieser … Sparte zu bieten?« Dad pfiff durch die Zähne und ließ ein paarmal die Hüften kreisen.
Dad probierte mehrere Kleider an, und am Schluss einigten sich Kevin und die Verkäuferin auf ein plissiertes rosa Minikleid mit passendem Hütchen. Beide Männer waren sich einig, dass es einem Verbrechen gleichkam, dem Kleid nichts von der Welt gezeigt zu haben, bevor es zusammengefaltet in einem Geschenkkarton verschwand. Also zogen sie noch durch ein paar weitere Kneipen, nahmen von unterwegs Champagner, Blumen und Zigarren mit, bis es höchste Zeit für die nachmittägliche Besuchszeit war.
Auf dem Parkplatz vor dem Entbindungsheim wurde noch einmal das Für und Wider debattiert, ob es richtig sei, wenn mein Vater in dem Kleid auf der Station erschien. »Sieht schon etwas seltsam aus. Zieh lieber den Anzug wieder an«, riet ihm Kevin. Aber die Knöpfe und Reißverschlüsse des Kleids überforderten die beiden Männer, und sie beschlossen, die ganze Umzieherei bleiben zu lassen.
Mum schüttelt den Kopf. »Das musst du dir vorstellen«, sagt sie. »Da kommt dein Dad in einem rosa Minikleid auf die Station getrampelt, die Arme voller Blumen und Champagner, eine brennende Zigarre im Mundwinkel und den sturzbetrunkenen Kevin im Schlepptau.«
»Let’s have a Party!«, rief Dad.
»Um Himmels willen, das ist eine Entbindungsstation«, zischte Mum. »Leise!«
»Tut mir leid«, sagte Dad, vorübergehend gedämpft. Und dann, sotto voce: »Halleluja! Halleluja! Halleluja! Halleluja! Halleluja! Für Gott den allmächtigen Herrn! Halleluja!«
Mum hielt sich die Ohren zu. »Nein, Tim, nein. Nicht singen. Und um Gottes willen nicht das Halleluja.«
Die Tür flog auf, und die Oberschwester kam hereingestürzt, um zu sehen, was das für ein Lärm war. »Seien Sie gegrüßt«, sagte Dad mit tiefer Verbeugung. Die Oberschwester blieb wie angewurzelt vor ihm stehen. Dad steckte ihr eine Rose hinters Ohr und begann, Samba zu tanzen. »Work all night on a drink of rum«, sang er und wedelte mit der Zigarre herum. »Daylight come and we wan’go home.«
»Ich dachte, die machen mir die Hölle heiß«, sagt Mum. »Stattdessen schnuppert die Oberschwester den Zigarrenqualm und ruft: ›Ach, ist das romantisch – wie bei Barbara Cartland.‹« Prompt fing die Frau im Nachbarbett zu weinen an, weil ihr Mann alles andere als romantisch war. »Er arbeitete in der Baumwollspinnerei und hatte Hämorriden«, sagt Mum. »Wenn er sie besuchen kam, saß er auf einem aufblasbaren Gummireifen.« Dad schenkte Champagner für alle aus.
»Und keiner ist auf die Idee gekommen, mich aus dem Säuglingssaal zu holen?«, frage ich.
»Oh nein«, sagt Mum. »Nein, nein, du warst schon wieder fest verpackt.«
Noch zwei Winter hielten meine Eltern es in Derbyshire aus. Mums Kaninchen verließen ihre Käfige und vermehrten sich, wie Kaninchen es nun mal tun. Ein benachbarter Farmer durfte die Kaninchen auf Dads Land jagen (»Ballern Sie weg, so viele Sie können«), im Tausch gegen einen Springer-Spaniel-Welpen. Che. Und als an der Haustür ein zitternder, abgemagerter Foxterrier auftauchte, wurde er zu Jacko. Dann bekam Mum noch einen Ziegenbock geschenkt, dessen Besitzer an Multipler Sklerose litt. »Wie hätte ich es ihm abschlagen können? Angeblich war das Mistvieh stubenrein und zahm. Pustekuchen. Er tapste quer durchs Haus und verstreute seine Kügelchen überall. Und gefressen hat er, was er beißen konnte. Zum Schlafen haben wir ihm einen Korb in die Küche
Weitere Kostenlose Bücher