Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
Vom Netzwerk:
gestellt, aber er war ans Bett gewöhnt. Und wenn man ihn aussperrte, meckerte er die ganze Nacht durch.«
    Meine Eltern gaben sich alle Mühe, ihr Leben möglichst bunt und chaotisch zu gestalten, doch das unterschwellige Gefühl, in England nicht richtig glücklich zu werden, ließ sich nicht vertreiben. Außerdem gab es abgesehen von wöchentlichen Pubbesuchen mit Kevin und ein paar anderen Freunden kaum jemanden, mit dem sich etwas anfangen ließ. »Margot Fonteyn kam nach Manchester«, sagt Mum, »und ich musste mit der Frau des Milchmanns ins Ballett. Es war schrecklich nett von ihr, dass sie mitgekommen ist, aber ich fürchte, von dem Schock, Rudolph Nurejew in Strumpfhosen zu sehen, hat sie sich nie erholt.« Mum zwinkert mir zu. »Na ja, so ganz ohne war’s ja auch nicht.«
    Einem völlig verregneten Frühling folgte ein trüber Sommer, und nach und nach wurde meinen Eltern die Trostlosigkeit der rhodesischen Dürre aus den Köpfen gespült. Statt an die Schlangen in Berry’s Post erinnerten sie sich an Tabatha und wie sie Vanessa um die riesige Rasenfläche gescheucht hatte; statt an das endlose Warten auf eine Regenzeit, die nicht kam, dachten sie jetzt an die rhodesische Sonne auf ihrer Haut. Sie verdrängten, wie isoliert das Land unter Ian Smith’ Herrschaft war (die internationalen Sanktionen, die Rationierung des Benzins, die staatlich verordnete Zensur, die Ballen schlammfarbener Baumwolle, die zu identischen Kleidern verarbeitet wurden), und dachten sehnsuchtsvoll an die Kameradschaft der Rhodesier und die wunderbare Freundlichkeit wildfremder Menschen.
    Bevor ein weiterer Winter sie in seine eisigen Klauen aus harter Arbeit und Dunkelheit schließen konnte, schickten sie den Ziegenbock zum Metzger, vermieteten die Scheune (gerade erst mit Spülklosetts, elektrischem Strom und windfesten Wänden ausgerüstet), verkauften den Autokennzeichen-Prägebetrieb (komplett mit jähzornigem Spanier) und hoben die Grasnarbe ab, um sie als Rollrasen zu veräußern. Dann gingen sie ein letztes Mal ins Pub und verkündeten, dass sie wieder nach Afrika ziehen würden. »Wie weit nach Süden haben wir nicht gesagt«, räumt Mum ein. »Das haben wir uns nicht getraut. Rhodesien war ein total geächtetes Land. Sehr, sehr verpönt.«
    »Und weshalb seid ihr zurückgegangen?«, frage ich.
    »Na ja«, sagt Mum, »wir hatten ja noch die rhodesischen Dollars auf der Bank, von dem Vergleich mit Lytton-Brown – ein paar Tausend mögen das gewesen sein. Das war das eine. Aber das andere, das Wichtigste war Afrika – wir wollten zurück nach Afrika. Wir hatten Sehnsucht nach der Wärme und der Freiheit, richtiger Weite, wilden Tieren, dem nächtlichen Himmel.«
    Für die Reise packten meine Eltern zwei Hunde, Mums Büchersammlung, die beiden Jagdstiche, das irische Leinen, die Handtücher, den Bronze-Wellington (inzwischen fehlten ihm die Riemen der Steigbügel) und die Le-Creuset-Töpfe zusammen. Wegen der internationalen Sanktionen gegen das Land war Rhodesien nur auf Umwegen zu erreichen. Dad flog via Malawi voraus, um sich Arbeit und eine Unterkunft zu suchen. Mum folgte auf der SS Uganda von Southampton nach Kapstadt. »Ach, das war ein fabelhafter kleiner Dampfer«, sagt sie. »In dem holzgetäfelten kleinen Rauchsalon standen blaue Ledersessel, und überall hingen wunderbar inspirierende Gemälde an den Wänden. Und zu beiden Seiten des Kaminsims standen zwei gigantische Elefantenstoßzähne, ein Geschenk des Königs von Baganda an das Schiff, das den Namen seines Landes trug. Sehr romantisch war das alles.«
    Und als hätte ihr das noch nicht gereicht, freundete Mum sich mit dem illustresten Fahrgast an Bord an. »Paddy Latimer war unterwegs zu ihrem Ehemann, der eine Farm in Südafrika besaß. Sie hatte drei kleine Mädchen, einen kleinen Jungen, war schwanger und sah trotzdem umwerfend aus.« Während die beiden Frauen in Southampton an der Reling standen und England zum Abschied winkten, stellten sie fest, dass sie beide Hunde hatten. »Das verband uns natürlich immens«, sagt Mum, »und von da an machten wir alles gemeinsam. Okay, fast alles.« Weil Paddy die Tochter aus einer Schiffsbauerfamilie war, »durfte sie am Tisch des Kapitäns speisen, und ich musste bei den armen Schluckern hocken«. Aber zum Frühstück und Mittagessen und für den Rest des Tages war Paddy mit Mum zusammen.
    Morgens führten die beiden Frauen ihre Hunde an Deck spazieren. Sie lasen, schrieben Briefe, nahmen Sonnenbäder. Nach dem

Weitere Kostenlose Bücher