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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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Zurück in eure Betten! Es sind unsere Geschütze, ganz sicher.« Aber aus meinem Blickwinkel sah ich plötzlich zwei Dinge mit absoluter Klarheit: Granaten klingen alle gleich, ganz egal, wer sie abfeuert, und nichts würde jemals wieder in Ordnung oder ganz sicher sein.
    Während der folgenden zwei Tage hörte das Telefon im Internat nicht mehr auf zu klingeln, ein Schüler nach dem anderen wurde in das verqualmte Lehrerzimmer gerufen, um mit seinen Eltern zu sprechen. Mit verheulten, aber feierlich-selbstzufriedenen Gesichtern kehrten sie zurück und berichteten, dass die Sorge um sie ihre Familien um den Schlaf gebracht hatte. Mum und Dad riefen nicht ein einziges Mal an, um sich nach mir oder Vanessa zu erkundigen. Und ich fragte mich, wieso sie von allen Eltern der Schüler der Chancellor Junior School die Einzigen zu sein schienen, die sich nicht um ihre Kinder sorgten. Vanessa war anderer Meinung: »Nein, so ist es nicht. Wir müssen eben für uns selber sorgen. Du musst noch viel tapferer werden, Bobo. Sie erwarten von uns, dass wir tapfer sind.«
    Ein paar Wochen nach dem Angriff fuhren wir für ein Wochenende nach Hause. Mum schenkte uns beiden ein T-Shirt, und wir verstanden das als Belohnung dafür, dass wir uns nicht wie Memmen aufgeführt hatten (so, wie wir nach Salisbury ins Buchantiquariat mitfahren durften, wenn wir Tapferkeit vor dem Zahnarzt gezeigt hatten). Auf den T-Shirts war eine Bierflasche in Form einer Handgranate abgebildet. Darüber stand der Satz: » KOMMT NACH UMTALI UND LASST EUCH ZUDRÖHNEN !«
    »Na«, sagte Mum. »Das ist lustig, oder? Ein Wortspiel. Wisst ihr, was ein Wortspiel ist?« Und dann schaute sie auf ihre Hände, und ihre Augen wurden besonders hell. »Sie haben uns gebeten, euch nicht anzurufen. Die Leitungen sind überlastet, haben sie gesagt. Wir sollten nicht …« Sie schwieg einen Moment. »Ihr wisst doch, dass ihr gegenseitig auf euch aufpassen müsst.« Es folgte ein zitterndes, unsicheres Lächeln. »Das wisst ihr doch, oder?«

Nicola Fuller und das Ende Rhodesiens

    Bo und Van vor den Victoriafällen,
Rhodesien, 1978
    Meine Mutter hat nichts übrig für Fragen, die mit »Was wäre, wenn« beginnen. Ich dagegen verbringe einen Großteil meiner Zeit in diesem unsinnigen Strudel. Was wäre, wenn ich besser aufgepasst hätte? Was wäre, wenn wir ein normaleres Leben geführt hätten? Was wäre, wenn wir mehr Vorsicht hätten walten lassen bei all der Begeisterung für Afrika? »Was-wäre-wenns sind langweilig und sinnlos«, sagt Mum. Denn meine Mutter – so nah sie dem irreparablen Wahnsinn in ihrem Leben immer wieder gekommen ist – lebt heute nicht zerstört und voller Reue in einer Miss-Havisham-Welt, sie möchte keinen ihrer Lebensabschnitte ungeschehen machen, auch nicht den schrecklichsten, schmerzhaftesten, zerstörerischsten. »Mit ›was wäre, wenn‹ beginnen Leichenreden der schlimmsten Sorte«, sagt sie. »Und ich kann Leichenreden nicht ausstehen. Besser, man akzeptiert die Wahrheit, krempelt die Ärmel auf und nimmt in die Hand, was vor einem liegt.«
    Und die Wahrheit ist folgende: Der Krieg geht seinem Ende entgegen (fin de everything), und seine halluzinatorische, verführerische Gewalt hat unser Denken so durcheinandergeschüttelt, dass unsere Familie sich weder in Rhodesien eine sicherere Adresse vorstellen kann noch irgendwo außerhalb des Landes. Jedenfalls denken wir nicht daran, das Land zu verlassen. Wir empfinden unser Leben als nervenaufreibend und aufregend, schrecklich und gesegnet, wild und verführerisch. Und ein so anstrengend volles und kompliziertes Leben hinter sich zu lassen, kostet Kraft.
    Außerdem war es verräterisch und feige, von Aufgabe zu reden. »Die Fullers sind keine Memmen«, sagt sie. »Nein, ein Land, das man liebt, verlässt man nicht kampflos, nur weil es mal ein bisschen ungemütlich wird.« Und so ließen wir den Krieg weiter eskalieren, bis nur noch sehr wenige Familien – schwarz oder weiß, auf dem Land oder in der Stadt – nicht mehr davon berührt waren, und hielten trotzdem durch.
    Aber dann geschah etwas, das alles hätte ändern können: Der Vater meines Vaters starb. Seine englischen Angehörigen benötigten eine volle Woche, um ihn davon in Kenntnis zu setzen. »Das Begräbnis ist in zwei Tagen«, teilte Onkel Toe Dad am Telefon mit. »Schade, dass du es nicht mehr schaffen kannst.« Die Augen meiner Mutter werden hell. »Na, wir waren doch nur in Rhodesien«, sagt sie. »Wir lebten ja nicht auf

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