Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
neuen Namen: Simbabwe. Und wir hatten einen neuen Premierminister: Robert Mugabe.
In der Schule wurde uns erzählt, von nun an seien wir alle gleich. Bei der Morgenandacht sangen wir nicht mehr »Onward Christian Soldiers«, sondern »Precious Lord, Take My Hand«, ein Lied, das unsere Beziehung zu Gott in ein ganz anderes Licht stellte und beinahe schon an die vormals verpönte öffentliche Zurschaustellung von Gefühlen grenzte (uns wäre es nicht in den Sinn gekommen, unsere Eltern, geschweige denn den Herrn zu bitten, unsere Hand zu halten). Und anstatt für unsere Jungs zu beten, unsere Brüder, Väter, Ehemänner, beteten wir jetzt für Frieden, Einheit und Vergebung. Anstelle von Kartoffelbrei gab es zum Mittagessen jetzt Sadza, und man forderte uns auf, es auf traditionelle Art zu essen: in der Handfläche zu Bällchen gerollt und mit den Fingern zum Mund geführt. Unsere neue schwarze Hausmutter (wesentlich jünger und dynamischer als die alte weiße) erklärte uns, dass die neuen Worte, die wir benutzten, auch unsere Herzen erneuern würden. Sie brachte uns bei, Freiheitskämpfer statt Terroristen zu sagen und Einheimische statt Munts und nicht mehr »garden boys« oder »boss boys« zu sagen, sondern »Gärtner« oder »Stammesführer«.
»Ich glaube, wir alle haben das kommen sehen«, sagt Mum, »aber ein Schock war es trotzdem, den Krieg auf diese Weise zu verlieren, das Land zu verlieren, alles zu verlieren. Eines Morgens wurden wir wach, und alles war beschlossen, und es gab nichts mehr, für das man kämpfen konnte.« Sie lehnt sich zurück in ihren Sessel, den Mund an den Rändern gekräuselt, als wäre die Erinnerung an die Zeit zu viel für sie. »Alle redeten nur noch über Frieden und Versöhnung, aber ich wusste genau, dass es so nicht funktionieren würde. Nein, ein Zuckerschlecken würde es nicht werden, das war mir klar.«
Simbabwische Flüchtlinge, die während des Kriegs in Mosambik gewesen waren, kamen in großer Zahl zurück über die Grenze und ließen sich entlang des Flusses oberhalb von Robandi nieder, blockierten die Wasserversorgung der Farm und brachten unserer Rinderherde mit ihrem ungeimpften Vieh das Zeckenfieber. »Auf einmal hatten wir einen ganz anderen Kampf am Hals«, sagt Mum. »Ich wollte diese Besetzer runter von der Farm haben. Aber sie gingen nicht. Wir wurden schikaniert und waren erschöpft, unsere Nerven zum Zerreißen gespannt.« Mum konnte nicht mehr schlafen, wurde schreckhaft und weinerlich. »Ich glaube, heute würde man meinen Zustand als Depression bezeichnen, aber damals hatten wir noch keinen Ausdruck dafür.« (Vanessa und ich hatten einen, für uns hatte Mum mal wieder ihren »Moralischen«.)
In Anbetracht der Lage beschloss Dad, es sei das Beste für uns alle, Robandi, die Besetzer, das aprikosenfarbene Haus mit seiner ständigen Mahnung an das, was wir verloren hatten, zu verlassen. Er unterschrieb einen Jahresvertrag als Sektionsverwalter auf der Devuli Ranch, einem weitläufigen, abgelegenen Stück nahezu wilder Erde im Südosten des Landes. Er sollte dort das Vieh zusammentreiben, das auf den siebenhundertfünfzigtausend Morgen der Ranch während des Krieges verwildert war. »Für ein Jahr weit weg von allem«, sagt Dad. »Richtiger Frieden, die Gelegenheit, mal wieder richtig Luft zu holen.«
Ein Jahr lang packte Dad alle vierzehn Tage ein Moskitonetz, seinen Schlafsack, zwei Flaschen Brandy, eine Dose Pulverkaffee, etwas Reis und ein Gewehr ein und schlug sein Lager in den wilden unbewohnten Mopane-Wäldern fern jeglicher Zivilisation auf. In der Nacht schlief er unter einem unschuldig schwarzen Himmel, auf rauen Urwaldwegen eine Tagesreise von der nächsten menschlichen Behausung entfernt. Ich kann nicht beweisen, dass er sich in dieser Zeit die sechs Jahre, die er zuvor gekämpft hatte, aus dem Leib marschierte, aber als Erklärung dafür, dass er sich fast vollständig vom Krieg im Busch regenerierte, scheint sie mir so tauglich wie jede andere.
Anfangs nahm er Mum mit in sein Lager. Er setzte sie den Tag über im Schutz eines Baobab-Baums auf einen Campingstuhl, ausgerüstet mit seinem besten Feldstecher und einem neuen Vogelbuch, und zog los, um Rinder aufzuspüren und einzufangen. Einmal in der Woche schoss er einen jungen Impalabock, hängte ihn zum Pökeln in einen Drahtkäfig, damit sie immer frisches Fleisch hatten. Die Nacht über ließ er ein Feuer brennen und stellte Paraffinlichter um das Lager herum auf, damit sie nicht
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