Unter dem Blauen Mond: Die Legende von Falk und Fischer (Dämonenkrieg) (German Edition)
Chance hätte den Wanderer schon lange aufgehalten. Aber er konnte nicht zulassen, dass die Königin verletzt wurde, nicht, nachdem er darin versagt hatte, ihren Mann zu beschützen – und dann blieb nur eine Möglichkeit übrig. Die Waffe, die er nie hatte einsetzen wollen.
Er war Vivian Hellstrom vom Roten Turm, und er kannte seine Pflicht.
Also ließ er seine Magie frei durch sich fließen. Sie schoss nach vorn, endlich entfesselt, knisterte in der Luft um ihn herum, eine neue und mächtige Präsenz im Saal. Jeder dort spürte sie und schaute Sir Vivian staunend an. Er wirkte plötzlich größer, solider, fast so beeindruckend wie der Wanderer selbst. Er war der Sohn des Erzmagiers und der Nachthexe, zwei der vielleicht mächtigsten Zauberer, die der Wald jemals gekannt hatte, und er hatte endlich sein Erbe angetreten.
Er machte eine jähe Geste, und Blitze zuckten laut knisternd durch die Luft, direkt auf Lamento zu. Der Wanderer stellte seinen langen Stab vor sich, und die Blitze erdeten sich durch den Stab und entluden sich harmlos. Sir Vivian gestikulierte noch einmal, und Feuer flammten um Lamento herum auf, ein großer Flammenkreis, dessen Hitze so stark war, dass Chance einen Arm hochreißen musste, um sein Gesicht zu schützen, und mehrere Schritte zurückstolperte. Der Boden des Audienzsaals wurde schwarz, aber Lamento stand ruhig in dem Feuerring, unberührt von der erbarmungslosen Hitze. Sir Vivian runzelte die Stirn, und die Flammen waren so schnell verschwunden, wie sie ausgebrochen waren. Sir Vivian zog seine Magie um sich zusammen und umgab sich mit einer flüssigen silbernen Rüstung, die ihn von Kopf bis Fuß bedeckte. Er bewegte sich nach vorn wie eine lebende Statue, und etwas an ihm hatte dieselbe Unausweichlichkeit wie eine Lawine oder ein Erdbeben. Seine Macht schlug in der Luft wie riesige Flügel. Sein Schwert leuchtete so hell, dass es schmerzte, es anzusehen. Jericho kam ihm entgegen.
Ihre Magie breitete sich vor ihnen aus und kollidierte. Es war, als würden zwei riesengroße Eisberge gegeneinander krachen, zwei unaufhaltsame Kräfte, die endlich jemand aufhielt. Die Realität schien um die beiden Männer herum Wellen zu schlagen, als sie langsam einander gegenüber zum Stehen kamen. Sir Vivian hob sein Schwert, und der Wanderer hob seinen Stab. Unsichtbare Mächte tobten am Hof, alt und mächtig. Langsam, unaufhaltsam, brach Sir Vivian Hellstrom in die Knie. Die silberne Rüstung verschwand, Sir Vivian wurde zurückgeschleudert und lag keuchend und zitternd auf dem Boden. Cally eilte nach vorne und kniete neben ihn, das Schwert gezückt, um ihn zu beschützen, falls nötig. Lamento betrachtete seinen gefallenen Gegner gleichmütig.
„Gott ist meine Rüstung, Sohn des Erzmagiers.“
„Ihr werdet sie nicht bekommen“, sagte Sir Vivian und rappelte sich mit Callys Hilfe auf. „Solange ich noch einen Atemzug in mir habe, werde ich Euch im Namen der Königin die Stirn bieten.“
„Ihr habt tapfere Verteidiger, Majestät“, sagte Lamento zu Felicity. „Aber ich bin nicht hier, um über Euch zu urteilen.“
Sir Vivian sah ihn an, konsterniert, aber immer noch entschlossen. „Schwört, dass Ihr der Königin nichts Böses wollt.“
„Natürlich tut er das nicht“, sagte Felicity.
„Ich bin nicht ihretwegen und auch nicht deinetwegen hier, Sohn des Erzmagiers“, sagte Lamento. „Tritt zurück. Ich bin nur hier, um mit der Königin zu reden. Unter vier Augen.“
Chance sah ihn überrascht an. „Ihr müsst wissen, dass das unmöglich …“
„Lasst uns allein“, sagte Felicity. „Alle.“
„Ihr könnt ihm nicht vertrauen, Majestät“, sagte Sir Vivian stur. „Der Wanderer dient nur seinem Gott.“
„Er würde mich nie verletzen“, sagte die Königin. „Geht. Lasst uns allein. Wir haben viel zu diskutieren.“
Chance, Cally und Sir Vivian blickten einander an, zuckten ziemlich gleichzeitig die Achseln, verbeugten sich vor der Königin auf ihrem Thron und verließen den Audienzsaal. Sir Vivian stütze sich nur ein wenig auf Callys helfenden Arm. Die Königin und der Wanderer starrten einander lange an, und dann erhob sich die Königin und trat von dem Thron auf seinem Podest herunter. Sie stand vor Jericho Lamento, und beide schmunzelten.
„Lamento war nicht immer dein Name“, sagte Felicity.
„Er ist es jetzt“, sagte Lamento, „und für immer. Das ist der Handel, den ich einging.“
„Ist von dem Mann, an den ich mich erinnere, noch etwas
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