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Unter dem Deich

Unter dem Deich

Titel: Unter dem Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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sie meinen Klassenkameraden selbst ins Wasser. Sie hielten ihn fest, während sie ihn schubsten, sodass nur seine Füße im Wasser hingen. Dennoch saß er zehn Minuten später wieder an seinem Platz. Er wohnte schließlich gleich um die Ecke in der Sandelijnstraat und musste, wenn seine Füße nass waren, nur kurz durch das Sluispolderhofje gehen, um trockene Socken anzuziehen.
    »Womit verdient der komische Kerl von den Inseln eigentlich sein Brot?«, fragte mein Vater. Ich wusste es nicht. Keiner wusste es. Wir sahen das Familienoberhaupt in einem Dufflecoat mit Pelzkragen über die Straßen schlendern. Er schaute in die Häuser hinein. Auch seine drei Söhne spähten interessiert durch die Fenster in die Häuser unter dem Deich. Immer wieder sahen wir, mal hier, mal da, einen Immigrantenkopf über der Fensterbank auftauchen, einen Kopf, dessen Augen unauffällig das Interieur musterten. Wir schenkten dem keine Beachtung. Bis der Immigrantenvater eines Tages in der Nassaustraat an der Tür klingelte.
    »Den Schubladenschrank, den Sie im Wohnzimmer stehen haben, würden Sie den vielleicht verkaufen?«
    »Wollen Sie den denn kaufen?«, wollte Neel de Koeier erstaunt wissen.
    »Ja, ich würde ihn eventuell übernehmen wollen«, sagte der Immigrant.
    »Aber der stammt noch von Annie von Truus von Klazien von Hester. Der ist so alt wie die Straße nach Kralingen. Was wollen Sie damit noch?«
    »Mir gefällt er eben«, sagte der Immigrant.
    »Na, ich werde mit meinem Mann darüber sprechen«, sagte Neel de Koeier, »kommen Sie morgen wieder.«
    Sie sprach mit Gijs de Koeier darüber und sagte: »Heute ist vielleicht etwas Merkwürdiges passiert! Es klingelt an der Tür, und da steht der komische Kerl vor mir, der jetzt in der Sandelijnstraat wohnt, du weißt schon, dieser Import von den Inseln …«
    »Ach, dieser Gottesleugner, dessen Kinder am Sonntag …«
    »Genau der. Der stand vor der Tür und wollte Mutters Schubladenschrank kaufen.«
    Sie sahen beide verwundert zu dem großen dunkelbraunen Schrank, der in der guten Stube stand.
    »Was will der Kerl mit dem alten Ding?«, fragte Gijs de Koeier.
    »Er wird doch nicht etwa verrückt sein?«, sagte Neel.
    »Das kann uns egal sein«, sagte Gijs, »wir dürfen natürlich auf gar keinen Fall Nein sagen, wenn er dafür ein paar Cent rausrückt.«
    »Ich würde ihn ja lieber umsonst weggeben, als dafür auch noch Geld zu verlangen. Für so alten Plunder! Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.«
    »Ach, das zusätzliche Geld sollten wir uns nicht entgehen lassen.«
    Sie nahm am nächsten Morgen die zusätzlichen Gulden – wie man hört, waren es zwei Gulden fünfzig –, und der Immigrant fragte, während er die Schubladen der Reihe nach aus dem Zimmer trug, ob »der kleine Ecktisch dort auch zu verkaufen« sei.
    »Der stammt noch von Antje«, sagte Neel de Koeier.
    Der Immigrant fasste dies als höfliche Ablehnung auf.
    »Mir wäre der Tisch durchaus einen Zehner wert«, sagte er.
    »Einen Zehner?«, fragte die Frau verwundert.
    »Ja, meine Frau liebt solche kleinen Tische, er würde sich gut machen bei uns in der Sandelijnstraat. Wenn Sie also …«
    »Nun, ich glaube, Gijs hat nichts dagegen, wenn Sie … Jesses, einen Zehner!«
    Und so verschwanden allmählich aus den Häusern unter dem Deich Schubladenschränke, alte Stühle, Waschkommoden, Ecktischchen und Hängeschränke. Die Leute gingen sogar von sich aus zum Immigranten und sagten: »Wir haben auf dem Dachboden noch eine alte Wäschetruhe stehen. Sind Sie vielleicht daran interessiert?«
    Alte Lampen, alte Kerzenständer – alles ging denselben Weg. Aus dem für unbewohnbar erklärten Lagerschuppen neben dem Haus des Immigranten waren regelmäßig Schmirgelgeräusche zu hören. Es wurde auch gezimmert und gefeilt, und manchmal bemerkten wir den Geruch von Terpentin oder anderen Stoffen, die wir nicht kannten. Ab und zu erschien nach Einbruch der Dunkelheit ein großer Lieferwagen in der Sandelijnstraat, der gerade eben noch in der Hoekerstraat wenden konnte. In diesen Lieferwagen verluden die Immigranten die Schränke und Tische.
    Eines Abends, wir saßen zu Tisch, klingelte es an unserer Tür. Ich ging hin, öffnete und erblickte den Immigranten. Wir sahen einander eine Weile an. Dann sagte er: »Darf ich vielleicht reinkommen?«
    »Ich hole schnell meinen Vater«, sagte ich. Als ich durch den Flur zurückging, folgte er mir seelenruhig und trat vorsichtig in unsere Wohnstube. Man hätte

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