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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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scharren über die Fliesen und haken sich an den Stuhlbeinen fest. Er starrt in seine Kaffeetasse.
    »Es sieht nicht gut aus für deinen Freund.« Manni stützt die Ellbogen auf den Tisch und lehnt sich vor. »Ralle hat Jonnys toten Dackel nach Frimmersdorf gebracht. Wir haben Ecstasy in seinem Zimmer gefunden. Gut möglich, dass er den Dackel damit getötet hat. Und Jonny auch.«
    »Neisser.« Hagen Petermanns Stimme spuckt den Namen förmlich aus. Er spricht, als sei sein Sohn gar nicht da. »Ich habe Viktor immer gesagt, dieser Neisser ist kein Umgang für ihn. Ein Schulabbrecher aus asozialen Familienverhältnissen.«
    Viktor scheint sich unter den Worten seines Vaters zu ducken. »Wir ham halt manchmal zusammen gekickt, mehr war da nicht«, nuschelt er in seine Kaffeetasse.
    »Gekickt. Das ist wichtig, na klar.« Jedes von Petermanns Worten ist ein Peitschenhieb.
    »Du hast gesagt, du warst an dem Samstagnachmittag, als Jonny verschwand, mit Ralle zusammen«, schaltet sich Manni ein.
    »Aber nur kurz, dann hab ich mich mit Ivonne getroffen.« Viktor schießt einen schnellen Seitenblick zu seinem Vater, senkt dann wieder den Kopf. »Wir ham nix gemacht, ehrlich nicht.«
    »Ralle hat Jonnys Dackel nach Frimmersdorf gebracht, so viel steht fest«, wiederholt Manni. »Hat er dir was davon erzählt? Hast du was bemerkt?«
    »Nein.«
    »Habt ihr Jonny im Wald getroffen?«
    »Nein!«
    »Tierquälerei, Drogenbesitz, vielleicht sogar Entführung und Mord. Das alles sind schwerwiegende Delikte«, sagt Manni und lehnt sich noch ein Stück näher zu Viktor hinüber. Der Junge lügt, das ist förmlich greifbar. Auf einmal empfindet Manni Mitleid mit ihm. Seine Nase ist zu groß, eine Männernase in einem Jungengesicht. Am Kinn sprießen Bartstoppeln aus rot entzündeten Poren. »Wir haben deinen Freund zur Fahndung ausgeschrieben. Wenn du irgendeine Idee hast, wo wir ihn finden könnten, sagst du das jetzt besser. Du machst dich sonst mitschuldig«, sagt er leise.
    »Ich weiß nix, ehrlich nicht. Ich muss jetzt zur Penne.«
    »Mein Sohn ist nicht der Komplize von diesem Neisser, dazu ist er nicht eng genug befreundet mit ihm«, zischt Hagen Petermann. »Er kann Ihnen nicht weiterhelfen. Korrekt, Viktor?«
    Viktor nickt, ohne den Blick zu heben. »Kann ich jetzt gehen?«
    »Was weißt du über Tim Rinker?«
    »Der ist doch gar nicht in meiner Klasse.«
    »Er ist der Cousin von deiner Freundin. Und Jonnys bester Freund.«
    »Ich hab nix mit dem zu tun.«
    »Seine Eltern sagen, er ist nicht sehr glücklich in eurer Schule.«
    Viktor zuckt die Schultern. »Keine Ahnung, ehrlich nicht. Ich muss jetzt gehen.«
    Noch ein Seitenblick zu seinem Vater, dann stürzt der Junge aus der Küche, als seien Furien hinter ihm her.
    »Wenn Sie weiterhin meinen Sohn belästigen, schalte ich unseren Anwalt ein.« Hagen Petermann bedenkt Manni mit einem Blick, als sei er ein besonders ekliges Insekt.
    »Gar nicht so leicht, heutzutage ein Bauunternehmen zu führen, nicht wahr?« Manni tut so, als habe er die Warnung nicht gehört. »Viele gehen Pleite. Da freut man sich über Aufträge aus dem Ministerium. Richtige Arbeit statt Kleinvieh. Bezahlung garantiert.«
    »Ein Polizist, der über Betriebswirtschaft nachdenkt. Interessant.«
    Manni gestattet sich ein Lächeln. »Es hilft, wenn man jemanden kennt, nicht wahr, Herr Petermann? Einen Entscheider. Oder noch besser, jemanden, der einem etwas schuldig ist.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »20 000 Euro«, sagt Manni. »Wenn man im Gegenzug ganze Fußgängerzonen pflastern darf, ist das doch eher ein Kleinbetrag.«
    »Sie unterstellen mir Bestechung?« Petermann lächelt herablassend. »Sie haben ganz offensichtlich überhaupt keine Ahnung von öffentlichen Ausschreibungen. Das ist ein Riesentamtam mit hundert Instanzen. Absolut neutral.«
    »Sie haben Volker Braun 20 000 Euro geliehen.«
    »Und weiter?« Petermann sieht nicht im Geringsten beunruhigt aus.
    »Er arbeitet im Landesbauministerium.«
    »Und?«
    »Sie erpressen ihn.«
    »Hat er Ihnen das gesagt?«
    »Wir sehen uns bald wieder.« Manni steht auf und fühlt Petermanns Blick im Rücken. Den Blick eines Siegers, daran gewöhnt, seine Gegner niederzustarren.
    Draußen liegt etwas Dumpfes, Brütendes in der Luft. Die Sonne ist gegangen, die Hitze ist geblieben. Bald, denkt Manni, bald passiert etwas, ich fühle das, der Durchbruch steht bevor, muss einfach kommen, muss heute noch kommen, denn morgen gibt es Zeugnisse, danach

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