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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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sich. Mitfühlend. Klug. Sie drückt ihre Zigarette aus.
    »Die Verkäuferin in eurem Supermarkt ist sicher, dass sie meiner Charlotte vor ein paar Wochen eine Campingausrüstung verkauft hat«, sagt Judith schließlich.
    »Das deckt sich mit dem, was ich herausgefunden habe. Charlotte Simonis war hier. Sie hat vom 16 . bis zum 23 . Mai ein Einzelzimmer im Moonshine Inn belegt. Das ist ein Motel zwischen Cozy Harbour und Parry Sound. Einen ungeklärten Todesfall, der auf ihre Beschreibung passt, habe ich nicht gefunden. Ihr Touristenvisum läuft übrigens nächste Woche aus. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie also noch in Kanada, jedenfalls ist nirgendwo registriert, dass sie unser Land auf legalem Weg verlassen hat.«
    »Aber wo ist sie?«
    »Sie wollte nach Norden, Eistaucher beobachten. Das hat sie jedenfalls an der Rezeption des Moonshine gesagt. Keine näheren Angaben.«
    »Shit.«
    »Nicht so schnell. Ich weiß auch, wie sie in den Norden gekommen ist. Sie hat ihr Mietauto in Parry Sound zurückgegeben und dort einen Flug gebucht. Am 24 . Mai. Das Unternehmen heißt Trips to the Wilderness, ein Kleinunternehmen, spezialisiert auf den Transport von Privatleuten, die ungestört angeln wollen, Panoramaflüge, Campingtouren, so was. Leider konnte mir im Büro niemand sagen, wohin genau deine Charlotte gebracht wurde. Der Pilot, der sie geflogen hat, ist erst morgen Mittag wieder erreichbar.«
    »Wie heißt er?«
    »David Becker. Stammt übrigens aus Deutschland und lebt in Cozy Harbour. Leichtes Spiel für dich.«
    »David Becker!«
    »Was ist? Kennst du den?« Nur eine Frage, aber der Unterton, der in dieser Frage mitschwingt, erfüllt Judith mit Unbehagen.
    »Ja«, antwortet sie vorsichtig. »Das heißt, eigentlich nicht, oder nicht sehr gut. Erst seit heute Morgen.«
    Stille. Sie kann förmlich hören, wie Margery darauf wartet, dass sie weiterspricht. Aber was soll sie sagen? Dass sie, statt diesen naheliegendsten aller Zeugen zu Charlottes Verbleib zu befragen, mit ihm ins Bett gestürzt ist? Sie tastet nach ihrem Tabakpäckchen.
    »Was weißt du über Becker, Margery?«
    »Eigentlich nichts. Es liegt nichts gegen ihn vor.«
    »Aber?«
    »Er ist ein Einzelgänger. Kam vor ein paar Jahren hierher. Geschieden, glaube ich.«
    »Und?«
    »Es ist mehr so ein Gefühl. Für meinen Geschmack ist Becker ein bisschen zu smart. Die Touristinnen lieben das.«

Donnerstag, 28. Juli
    Das Handy fiedelt noch vor dem Wecker, die Luft im Schlafzimmer ist stickig, Mannis Kopf dröhnt. Das letzte Weizen hätte er sich schenken sollen. Das vorletzte auch. Er wühlt in dem Klamottenberg neben seinem Bett, wo irgendwo das Handy lärmt. So einiges hätte er sich gestern Abend schenken sollen, angefangen bei dem Besuch im Krankenhaus.
    »Korzilius.«
    »Wir haben den Dackel!« Thalbachs sonore, selbstsichere Stimme. Manni schaut auf die Digitalziffern seines Weckers. 6.29 Uhr. Wieso ist Thalbach schon im Büro? Schläft der da neuerdings? Hat seine Frau die Nase voll von ihm? Die letzte Digitalziffer springt auf null, der Wecker beginnt zu fiepen. Mit einem routinierten Klaps bringt Manni ihn zum Schweigen.
    »Ist der Dackel …?«
    »Tot. Schon seit ein paar Tagen, vermuten die Kollegen.« Na bravo. Und das bei dieser Hitze.
    »Und es ist sicher, dass es Jonny Röbels Hund ist?«
    »Ein Ohr fehlt. Einen Zeitungsausschnitt mit unserer Suchmeldung hat der Täter quasi mitgeliefert. Das müsste schon mit dem Teufel zugehen.«
    »Wo?«
    »Frimmersdorf.«
    »Frimmersdorf?«
    »Irgendwo Richtung Holland, der Fahrdienst ist unterwegs, müsste gleich bei dir sein.«
    Also keine Dusche und kein Frühstück, wobei sich Letzteres angesichts der Aussicht auf einen halbverwesten Köter und Mannis vom vielen Bier ohnehin schon strapazierten Magens als Vorteil erweisen könnte. Richtung Holland. Wie ist der Dackel dahin geraten? Die Autobahn, denkt Manni. Der Rastplatz an der A4. So falsch habe ich also nicht gelegen, auch wenn ich bislang nichts beweisen kann. Er setzt sich auf und unterdrückt ein Stöhnen, weil sein Kopf mit schmerzenden Wellen protestiert.
    »Der Dorfpfarrer hat ihn gefunden«, verkündet Thalbachs unerträglich ausgeruhte Stimme. »Ausgerechnet. Bin gespannt, was du nachher zu berichten hast.«
    Der Frimmersdorfer Dorfpfarrer, der sie auf einem kleinen Parkplatz unterhalb der Kirche erwartet, sieht genauso aus, wie man sich den Hüter ländlicher Schäfchen gemeinhin vorstellt. Ein dickbäuchiger rosiger Herr um die 60,

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