Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
die Sterne am Himmel standen. Sie hatte ein Licht gesehen. Das Licht unter den Trümmern war ungewöhnlich, neu … Dieses Mal war sie mittendrin, dabei gewesen. Nicht neutrale Beobachterin wie sonst. Und gerade als sie meinte, der Lösung des Rätsels endlich ein wenig näher zu kommen, musste sie Alexander zum denkbar ungünstigsten Moment aufwecken. Wie konnte es auch anders sein.
»Alles in Ordnung, Anna? Du musst fürchterlich geträumt haben. Ich habe versucht, dich zu wecken.«
Sie drehte sich langsam um.
»Das hast du ja auch geschafft! Sieh dich doch mal um. Nicht nur, dass ich in diesem verdammten Wald übernachtet habe. Nein, ich fühle mich außerdem absolut gerädert. Ich kann jeden einzelnen Knochen in meinem Körper spüren. Weder wissen wir, wo wir uns befinden, noch wie wir nach Hause kommen. Und zum krönenden Abschluss hast du gestern Abend auch noch eine schwerverletzte Frau angeschleppt. Ich würde sagen, es ist nicht alles in Ordnung.«
Alexander richtete sich zögernd auf und zog eine Augenbraue hoch. Seine schwarzen Haare waren zerwühlt. Er sah müde und abgespannt aus.
»So habe ich das nicht gemeint, Anna«, antwortete er leise. »Die, ähm, kleinen Probleme sind mir hinlänglich bekannt. Ich wollte eigentlich wissen, ob es dir besser geht. Aber wer am frühen Morgen schon wie ein Waschweib schimpft, dem kann es eigentlich nicht besonders schlecht gehen.«
Er sah sie ratlos von der Seite an, griff nach der Wasserflasche und pfiff Oskar zu sich.
»Ich geh mich dann mal frisch machen.«
Anna stemmte die Hände in die Hüften, das kam gar nicht infrage. Nicht nur er musste sich frisch machen. Ein wenig Bewegung und kühles Wasser würden ihr ebenfalls guttun. Sie nahm ihm die Flasche aus der Hand und schritt erhobenen Hauptes an ihm vorbei.
»Ich zuerst.«
Anna hatte sich bereits einige Meter von ihrem Lager entfernt, als sie stehen blieb und sich umdrehte.
»Wo …?«
Sie fuhr zusammen, Alexander stand grinsend hinter ihr.
»Komm, ich zeig dir, wo es lang geht.«
Alexander schickte Oskar, der sich schwanzwedelnd an seiner Seite eingefunden hatte, zurück. Enttäuscht, weil er um seinen wohlverdienten Morgenspaziergang gebracht wurde, setzte er sich winselnd an Naomis Seite.
»Bitte schön, Alexander, du darfst mal wieder vorangehen. Aber ich hätte den Bach auch allein gefunden.« Konnte er sich nicht endlich sein dümmliches Grinsen aus dem Gesicht wischen?
»Natürlich, Anna.« Er machte einen angedeuteten Diener, umrundete sie in gebührendem Abstand und marschierte mit ausladenden Schritten los, ohne sich zu vergewissern, ob sie ihm folgte.
Mit sanftem Plätschern schlängelte sich der Bach kristallklar durch das satte Grün des Waldes und das gleichmäßige Rauschen beruhigte augenblicklich ihre überreizten Nerven. Sie beugte sich über die spiegelnde Oberfläche und verfolgte die leise Strömung. Das hier war Wasser, ganz eindeutig. Anna kniete sich hin und ließ es in ihre Hände strömen, trank bedächtig und schloss die Augen. Es schmeckte noch genauso köstlich wie gestern. Sie wollte später Naomi danach fragen, vorausgesetzt sie war wach und es ging ihr ein wenig besser. Als sie ihren Durst gestillt hatte, richtete sie sich langsam auf und ihr Blick fiel auf Alexander, der hinter ihr stand, sie beobachtete und, wie konnte es auch anders sein, grinste.
»Was! Was ist jetzt schon wieder so komisch?« Sie zog sich Schuhe und Strümpfe aus und watete in das eiskalte Nass.
»Nichts.«
Sie sah ihn skeptisch an.
»Was, Alexander?« Er trat einen Schritt zurück und vergrößerte den Abstand zwischen ihnen.
»Wirklich nichts, Anna. Wunderschöner Ausblick.«
Jetzt reichte es aber, sie drehte sich um, stapfte durchs Wasser und lief auf den Baum mit den kelchförmigen Blättern zu. Wortlos pflückte sie zwei Becher und füllte sie. Hoch erhobenen Hauptes stiefelte sie an ihm vorbei, zog den Fuß durch das kalte Wasser, sodass sich eine Fontäne kristallklarer Spritzer über ihn ergoss, griff nach Socken und Schuhen und kletterte ans Ufer. Er musste nur den Mund öffnen und sie fuhr aus der Haut. Was war nur mit ihr los? Sie hörte, wie es hinter ihr platschte, wahrscheinlich erfrischte er sich jetzt.
Hinter einem Baum blieb sie stehen und wartete. Er hatte sich nicht nur seiner Schuhe, sondern auch seines Hemdes entledigt. Breitbeinig stand er knietief im Bach und ließ das eisige Wasser durch seine Finger über den Kopf rinnen. In dünnen Fäden perlte es von den
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