Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
trüb.
»Naomi, ich verstehe nicht.«
Doch die junge Frau lehnte zusammengesunken an dem Baum und schließlich kippte ihr Kopf nach vorn. Alexander hielt ihre Hand immer noch fest in seiner.
»Naomi, ich verstehe nicht, was meinst du? Was war das für ein Licht gestern Abend, wie weit ist es bis … Naomi!«
Er hatte seine Stimme erhoben und begann die junge Frau zu schütteln. Und plötzlich begriff Anna. Auch er hatte Angst. Mit einem Satz war sie bei ihm und löste sanft seine verkrampften Finger von Naomis Schultern.
»Alexander, sie wird dir nicht mehr antworten, nicht jetzt. Lass sie schlafen.«
Zögernd erhob er sich und rieb sich das Gesicht. Das kalte Wasser hatte ihn nur vorübergehend erfrischt, seine Augenlider waren geschwollen, die Augen gerötet. Anna beugte sich über Naomi und seufzte erleichtert auf. Sie atmete tief und regelmäßig. Sie lebte. Noch. Unsicher drehte sich Anna zu Alexander um, der die glänzende Fußkette in seiner Hosentasche verschwinden ließ.
»Und wofür soll die gut sein, Naomi?«
Anna lief schweigend zu dem Baum, in dem ihr Rucksack hing, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und hob ihn aus der Astgabel. Beklommen öffnete sie ihn, griff hinein und zog ein großes Stück Fleisch heraus.
»Du solltest dich stärken, bevor du gehst.« Anna reichte ihm den Braten, der immer noch wunderbar würzig duftete und Alexander teilte ihn in drei Stücke.
»Du hast recht, Anna. Komm, setz dich zu mir. Allein essen ist langweilig.«
Anna nickte, griff noch einmal in den Rucksack und entnahm ihm auch den runden Salatkopf. Sie zupfte einige Blätter ab, stopfte den Rest und das letzte Drittel Fleisch zurück in die Tasche und hängte sie wieder in den Baum. Zaghaft hielt Anna ihm einige Blätter hin, die er dankend entgegennahm. »Vitamine.« Sie lächelte schwach. Ihr war ganz übel bei dem Gedanken, in einigen Minuten allein hier zurückzubleiben, doch sie würde den Teufel tun und es ihn jetzt merken lassen. Sie warf einen kurzen Blick in Naomis Richtung. Nun ja, nicht ganz allein. Schweigend verspeisten sie Bauer Carlsons Köstlichkeiten, sorgsam den Blick des anderen meidend.
»Ich hatte noch so viele Fragen, verdammt.« Alexander scharrte nervös mit den Füßen im Laub. Instinktiv ergriff sie seine Hand und drückte sie kräftig.
»Du schaffst das, Alexander.«
Seine Augenbrauen wanderten skeptisch nach oben. »Wenn du meinst. Wenn ich nur mehr wüsste von dieser rätselhaften Welt. Von Silvanubis.« Er zog sein Messer aus der Tasche und reichte es Anna.
»Hier, ich möchte, dass du es so lange behältst, bis ich wieder zurück bin.«
Anna verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
»Kommt gar nicht infrage. Sieh dich doch mal um, ist fast gemütlich hier.« Na also, sie hatte sich wieder im Griff.
Alexander legte das Messer wortlos auf den Boden und schüttelte den Kopf. »Außerdem bleibt Oskar hier.«
Anna blickte ihn überrascht an. Das hatte sie nicht erwartet, doch den großen starken Hund an ihrer Seite zu wissen, war schon beruhigend.
»Wenn du meinst.«
Er nickte bestimmt. »Außerdem bin ich ja vor Anbruch der Dunkelheit zurück.«
Anna hatte den Eindruck, er wolle mehr sich selbst als sie davon überzeugen. Nun hatte er es geschafft, jetzt fühlte sie sich richtig elend. Er ließ ihr Messer und Hund und sie haderte hier mit ihrem Schicksal und bedauerte sich. Sie kramte in ihrer Hosentasche, zog das zerkratzte Feuerzeug heraus und drückte es ihm in die Hand.
»Nur für den Fall, dass es doch etwas später wird. Feuermachen ist ja nun nicht gerade deine Stärke und unser Feuer hier lasse ich schon nicht ausgehen.«
Er betrachtete sie mit einer Eindringlichkeit, die sie erschreckte. Für den Bruchteil einer Sekunde verlor sie sich in seinen grünen Augen und was sie darin sah, beschleunigte nicht nur ihren Pulsschlag, es machte ihr Angst.
»Pass gut darauf auf, es gehörte meinem Vater.«
Er schwieg eine Weile, rang mit sich und erhob sich schließlich hastig.
»Ich bringe es dir zurück. Versprochen, Anna Peters.« Ohne sich noch einmal umzudrehen, verschwand er im Wald.
Anna kämpfte sich mühsam hoch. Missmutig sammelte sie trockene Äste. Sie wollte genug Holz haben für den Tag und für den Abend, für die Nacht und für die Dunkelheit. Nur für den Fall. Ihr wurde rasch warm. Sie spähte blinzelnd durch den grünen Baldachin. Hier und da gruben sich vereinzelt Sonnenstrahlen wie Speerspitzen in den belaubten Boden. Gut, Regen konnte, durfte
Weitere Kostenlose Bücher