Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
verletzte Frau auf den Boden sinken.
»Ich vertraue dir. Seltsamerweise.«
Ein dünnes Lächeln umspielte seinen Mund und verschwand wieder. Er hockte sich neben Naomi und ergriff entschieden ihre Hand.
»Aber ich fürchte, wir müssen unsere Patientin irgendwie aufwecken, bevor ich losziehe. Sie muss mir unbedingt noch ein paar Fragen beantworten.« Er drückte Naomis Hand fest und lange, sie wand sich und versuchte, sich ihm zu entziehen.
»Anna, sei so gut und hol mir eins der gefüllten Blätter.«
Alexander verstärkte der Druck seiner Hand, nahm das randvoll gefüllte Blatt entgegen und ließ das Wasser langsam auf die glühende Stirn der tief schlafenden Frau tropfen. Naomi versuchte, sich auf die Seite zu drehen, als die kalten Tropfen über ihre Stirn rannen, und wimmerte leise. Sie hustete und ihre Augenlider flatterten leicht. Es war ein trockener, heiserer Husten und Anna schmerzte allein vom Zuhören ihr eigener Hals. Sie verstand das nicht, gestern war sie noch davon überzeugt, dass es der jungen Frau heute besser gehen würde, und jetzt …
»Naomi.«
Alexander hatte ihre Hand losgelassen und sich über sie gebeugt. Er hielt ihr den Kelch an die Lippen und half ihr, vorsichtig zu trinken. Anna beobachtete ihn fasziniert. Dieser ewig grinsende Besserwisser hatte eine sanfte, stille Seite. Ihr war das bereits aufgefallen, wenn sie ihn mit Oskar beobachtete, und auch heute Morgen, als er sie beim Aufwachen in den Armen hielt, hatte es so einen Moment gegeben. Doch er zeigte ihr diese Seite nicht freiwillig, im Gegenteil. Obwohl, als er eben ihre Angst gespürt hatte, war seine Maske ebenfalls gefallen.
Naomi trank gierig, zu gierig und verschluckte sich, was einen weiteren Hustenanfall zur Folge hatte. Alexander kniete mittlerweile hinter ihr, richtete sie vorsichtig auf und lehnte sie an einen rauen Baumstamm. Nur mit großer Mühe hielt Naomi ihre Augen offen. Sie tat ihr furchtbar leid, doch Alexander hatte recht, wollte er Hilfe suchen und finden, musste er vorher mit Naomi sprechen.
»Es tut mir leid, Naomi. Ich hätte dich auch lieber schlafen lassen, doch wenn du kannst, dann musst du mir jetzt ein paar Fragen beantworten.« Er hielt kurz inne, weil die Verletzte erneut von dem bellenden Husten geschüttelt wurde, wartete bis Anna ihr etwas zu trinken gegeben hatte und fuhr dann fort.
»Aus welchem Grund auch immer es dir heute schlechter geht als gestern, eins steht fest, wir brauchen Hilfe, und zwar schnell.«
Naomi nickte und sah ihn fragend an. Sie kämpfte mit sich, um bei Bewusstsein zu bleiben. Alexander musste zur Sache kommen.
»Naomi, du musst mir sagen, wie ich aus dem Wald hinauskomme und wo ich jemanden finde, der bereit ist, uns zu helfen.«
Die junge Frau nickte zögernd, trank noch einen Schluck und sah von Alexander zu Anna. »Du … musst nicht … hierbleiben.« Ihre Stimme klang rau und heiser.
»Ich weiß«, antwortete Anna leise. »Doch leider bin ich selbst nicht ganz bei Kräften und außerdem kommt es gar nicht infrage, dass du hier allein zurückbleibst.«
Anna schluckte. Die Antwort entsprach ganz und gar nicht der Wahrheit. Am liebsten hätte sie das Angebot auf der Stelle angenommen und wäre in Alexanders sicherer Nähe geblieben. Naomi sah sie durchdringend an und wendete sich dann an Alexander.
»Kannst du … den Himmelsrichtungen folgen?«
Alexander nickte.
»Nach Osten, etwa eine Stunde … Waldrand.« Sie schloss die Augen und atmete tief durch. »Folge dem Bach … genug zu trinken …« Ihre Lider flatterten erneut und ihre Augen rollten nach oben.
Alexander griff noch einmal nach ihrer Hand und packte sie fest. »Naomi, gleich, gleich kannst du dich ausruhen.«
Sie öffnete die Augen wieder und zog mit Mühe das linke Bein an. Anna folgte der Bewegung und sah, wie sie versuchte, ihren Knöchel zu erreichen. Eine goldene Kette blitzte am schlanken Fußgelenk. Anna berührte das Schmuckstück und Naomi nickte aufgeregt.
»Soll ich das abmachen?« Anna fingerte an dem kunstvoll verzierten Verschluss. Schließlich lag das Fußkettchen warm in ihrer Hand. Es war schlicht, doch wunderschön mit winzigen roten Steinen versehen und filigran verarbeitet.
Naomi deutete in Alexanders Richtung und Anna legte das Kleinod in seine große Hand.
»Am Waldrand links … kleiner Pfad … laufe so lange bis … Hilfe kommt … Calliditas entgegen.«
Anna verstand nicht und auch Alexander runzelte die Stirn. Was meinte sie? Ihre Augen wurden
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