Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
tunikaartiges Oberteil und zog einen schmalen, am Griff mit Leder umwickelten Dolch hervor.
Alexander dachte an das kleine Taschenmesser, das er Anna gegeben hatte. So etwas hätte er dabeihaben müssen.
Erin sammelte kleine, dünne Äste und schichtete sie lose aufeinander. Mit gemäßigter Wucht schlug sie mit dem Dolch an der Seite des Feuersteins entlang und augenblicklich sprühten Funken, die auf den Zunder regneten. Es dauerte nicht lange, da glommen die kleinen Äste. Erin kniete davor und pustete vorsichtig. Gleichzeitig schützte sie den Zunder sorgfältig mit der hohlen Hand. Alexander sah kleine Flämmchen aufzüngeln. Geschickt fügte sie nach und nach immer größere Äste hinzu und bald hatte sie ein munter flackerndes Feuer in Gang gebracht.
»Respekt, Erin. Da kann ich noch einiges lernen.«
Sie legte ihren Zeigefinger auf die Lippen und nickte fast unmerklich in Richtung der Männer. Er ließ seine Hand in die Hosentasche gleiten und tastete nach Annas Feuerzeug. Das hatte er ganz vergessen. Ihr seid in Gefahr. Erin hatte nicht nur ihn gemeint. Einen Moment lang ließ er seine Finger auf dem Feuerzeug ruhen und sah zu den Männern hinüber. Der blonde Riese löste seinen Blick kaum von der Pfeilwunde und verkrampfte seine Finger hinter dem Rücken. Glenn saß kerzengerade im Sattel und hatte sich offenbar entschieden, sie mit Schweigen und Ignoranz zu strafen, doch auf seiner Stirn glänzten feine Schweißperlen. Fast taten sie ihm leid, doch ein leichtes, unangenehmes Ziehen in seinem rechten Oberarm ließ das Mitleid schnell zusammenschrumpfen. Nicht ohne Bewunderung stellte Alexander fest, dass sie sich trotz gebundener Hände problemlos im Sattel hielten. Überhaupt schien Reiten hier die bevorzugte Fortbewegungsart zu sein. Er war zwar nicht besonders weit gekommen bei seiner kurzen Exkursion, doch Straßen, Autos oder Eisenbahnen schien es nicht zu geben. Es war stiller hier, ruhiger. Die gewohnten Geräusche, das Hupen der vereinzelten Autos, das Bimmeln der Straßenbahn oder das Trällern der Radios, all das existierte nicht. Er hatte das, was er fünfundzwanzig Jahre sein Zuhause, seine Heimat genannt hatte, weit hinter sich gelassen.
»Alexander! Du meine Güte, hörst du mich eigentlich nicht?« Erins helle Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Komm, ich brauche deine Hilfe.« Sie hatte die Männer auf den Boden befördert, kniete vor dem blonden Riesen und fingerte an dem Pfeil herum. »Ich brauche ein wenig mehr Licht, Alexander. Hilf mir bitte, die beiden nahe ans Feuer zu ziehen und dann stell dich hinter unseren Helden hier und halt ihn an den Schultern fest. Der Pfeil muss raus, bevor wir weiterziehen.«
Alexander atmete tief aus. So hatte er sich sein Abenteuer nicht vorgestellt. Anna, die ihn unfreiwillig begleitet hatte, Naomi, die sich schwer verletzt in Annas Obhut befand, unfreundliche Zeitgenossen … eine Überraschung jagte die nächste. Ergeben stellte er sich hinter den Gefangenen und ergriff die mächtigen Schultern. Erin hatte sich inzwischen über dem verletzten Bein in Position gebracht und hielt den Pfeilschaft fest in den Händen. Dem blonden Hünen standen der Schweiß auf der Stirn und die Angst in den Augen. Erin warf ihm einen verächtlichen Blick zu.
»Fertig?«, fragte sie kalt. Der Riese nickte ängstlich. Alexander grub seine Hände fest in die Schultern. Mit einem Ruck zog Erin den Pfeil aus der Wunde. Der Gefangene schrie kurz auf, was Erin mit einem abschätzigen Schnauben quittierte. Die Pfeilspitze war blattförmig und hatte sich leicht aus dem Bein entfernen lassen. Sie erhitzte die Spitze ihres Dolches im Feuer und brannte geschickt die Wunde aus. Mit einem Tuch verband sie den Oberschenkel und drehte sich zu Glenn um, der weder Alexander noch Erin eines Blickes würdigte.
»Drück sein Bein auf den Boden. Bitte«, fügte sie rasch hinzu, als sie sah, wie Alexanders Stirn sich in Falten legte. Sie ergriff den Schaft und zog. Im Gegensatz zu seinem Freund gab Glenn keinen Laut von sich. Sie versorgte die Wunde auf die gleiche Art, überzeugte sich, dass sich die Fesseln der Gefangenen nicht gelockert hatten, und nahm Alexander kurz zur Seite. »Ich verspreche dir, sobald ich Naomi gesehen und versorgt habe, erkläre ich dir alles, was du wissen möchtest.« Ein flüchtiger Schatten huschte über ihr feines Gesicht. »Doch jetzt ist es wichtig, dass die beiden so wenig wie möglich von dir und Anna erfahren. Außer ihnen sollte wirklich
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