Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
»Du bist wieder da! Hast du den Wolf gesehen? Und die Feuerkugeln, unglaublich! Hast du Hilfe gefunden?«
Die kurzhaarige Frau fuhr herum und blitzte Anna an. Alexander strich ihr flüchtig über die Haare, löste sich ungeschickt von ihr und trat entschieden einen Schritt zurück.
»Das wurde auch Zeit, von wegen vor Anbruch der Dunkelheit.« Alexander legte ihr sanft einen Finger auf den Mund. »Was soll denn das?« Sie schob sich an ihm vorbei.
»Es ist gut, Alexander. Ich denke, wir können Glenn und seinen Kumpan jetzt von den Augenbinden befreien, nachdem deine Freundin sich so lautstark über unsere Ankunft gefreut hat. Hol sie vom Pferd und verschnüre sie an einem Baum. Wir wollen doch nicht, dass sie uns davonlaufen.«
Die Hand der Frau ruhte immer noch auf Naomis Stirn. Wer war sie, dass sie hier Befehle erteilen konnte? Anna unterdrückte ein Seufzen. War er tatsächlich mit Gefangenen zurückgekehrt? Was für ein Problemmagnet.
»In Sichtweite, aber nicht so nah, dass sie uns hören können.«
Anna kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ohne zu zögern, drückte er Anna Pfeil und Bogen in die Hände und befolgte die Anweisungen der zierlichen Person. »Hier, du hast meine Erlaubnis, zu zielen und zu treffen, wenn sich die beiden auch nur rühren.« Er warf der Frau einen kurzen Blick zu, die ihn schmunzelnd erwiderte.
Ein unangenehmer Stich bohrte sich in Annas Brust, der sie verblüffte. Sie konzentrierte sich darauf, den Pfeil nicht aus Versehen loszischen zu lassen. Alexander beförderte die Männer recht grob aus den Sätteln. Beide waren am Bein verletzt und humpelten stark. Ohne viel Federlesen verschnürte er sie an dem dünnen Stamm einer jungen Buche und entfernte die Augenbinden. Anna straffte den Rücken und reckte das Kinn, als der Blick des Bärtigen ein wenig zu lang auf ihr ruhte. Alexander ergriff sie am Arm, nahm ihr Pfeil und Bogen ab und führte sie zu den Frauen, die sich leise unterhielten. Naomis Zittern hatte nachgelassen und die Frau mit den kurzen Haaren gab ihr schluckweise zu trinken. Schließlich half sie ihr, sich aufzurichten und reichte Anna die Hand.
»Ich bin Erin. Ich denke, du hast meiner Schwester das Leben gerettet.« Sie nickte zu den Gefangenen hinüber. »Da kann ich über dein unbedachtes Handeln gerade noch hinwegsehen.«
Was bildete sie sich eigentlich ein? Anna schnaubte. »Erklärt mir mal endlich jemand, was hier vor sich geht? Dann handle ich vielleicht auch zu deiner Zufriedenheit, Erin.« Anna hielt kurz inne, holte Luft und ließ den Blick von Alexander über Naomi zu Erin wandern. »Wenn es recht ist, würde ich jetzt gern wissen, wer die beiden Kerle sind, was es mit dem Wolf auf sich hat, wo wir sind, was für ein komisches Wasser wir trinken und wieso zum Teufel ihr hier mit Feuerkugeln um euch werfen könnt.« Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und sah Naomis Schwester ungeduldig an. Anstatt zu antworten, zauberte Erin aus dem schier unerschöpflichen Vorrat an Schätzen, die sich in den Satteltaschen des Pferdes befanden ein Brot, etwas Käse, einige getrocknete Beeren sowie eine bauchige Flasche hervor. Mit einem leisen Plopp entfernte sie den Korken und reichte sie Anna. Ein rauchiger Duft entwich dem hölzernen Gefäß und brannte ihr in der Nase. Vorsichtig nippte sie an dem dubiosen Getränk und ließ es langsam durch ihre Kehle rinnen. Flüssiges Feuer! Hustend gab sie Alexander die Flasche, der einen kräftigen Schluck nahm und sie an Naomi weiterreichte. Er verschluckte sich nicht. Ihm schien dieses scharfe Gebräu tatsächlich zu schmecken.
»Whiskey?«, fragte er und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
Erin nickte. »Eigentlich zu schade, doch etwas anderes hatte ich nicht zur Hand, als ich aufgebrochen bin, um mein Schwesterherz zu suchen.« Sie sah Naomi an. »Falls du verletzt sein solltest, wollte ich wenigstens vorbereitet sein und so mussten Papas Vorräte herhalten.« Sie nahm ebenfalls einen kräftigen Schluck, reichte die Flasche ihrer Schwester, die wie Anna zu husten begann und sich unwillkürlich an die verletzte Schulter griff. Erin neigte den Kopf zur Seite und ließ ein leises Seufzen hören. »Dann wollen wir mal, und den guten Schluck hier zweckentfremden. Wärst du so gut, dich umzudrehen, Alexander? Deinen Arm sehe ich mir nachher auch noch an.«
Alexanders Arm? Anna schielte in seine Richtung. An einem Riss am rechten Hemdsärmel klebten die rostbraunen Spuren getrockneten Bluts. Aus den
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