Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
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»Ich bin mir nicht sicher, wie sich das Gift zusammensetzt, das sie für ihre Pfeile benutzen, doch bislang haben sich alle danach problemlos erholt.«
Alexander hob den Kopf. Na prima, das war ja beruhigend. Wo bin ich nur hineingeraten?
»Ich möchte dir trotzdem einen Salbenverband anlegen, wenn du erlaubst.«
Alexander sah sein Gegenüber skeptisch an. Er hatte nicht den Eindruck, als dürfte er auch nur ein einziges Wörtchen mitreden. Ohne eine Antwort abzuwarten, griff Noah in seinen Rucksack, zog einen hölzernen Tiegel heraus, entkorkte ihn und schmierte mit einem schmalen Löffel eine gelbliche Salbe auf ein Stück Stoff. Vorsichtig legte er es auf Alexanders verletzten Arm. Augenblicklich ließ das Brennen des Alkohols nach. Als Noah ihm fachmännisch einen Verband angelegt hatte, spürte er seine Verletzung eigentlich nicht mehr.
»Feuerdistelsalbe«, erklärte Noah, als er Alexanders fragendes Gesicht wahrnahm. »Die Feuerdistel zieht das Gift aus deinem Körper. Wenn sie früh genug aufgetragen wird, wirkt sie ganz gut, und da du ja erst gestern verletzt wurdest, sollte sie eigentlich noch helfen. Besser wäre natürlich die sofortige Anwendung …«
»War’s das?« Langsam war seine Geduld erschöpft.
Noah sah ihn nachdenklich an. »Ja, das war’s fürs Erste. Versuch, mindestens noch zwei Becher Saft zu trinken und melde dich, wenn du neuen brauchst.«
Alexander griff nach seinem Hemd, doch Noah legte die Hand auf seinen Arm.
»Möchtest du, dass ich mir deinen Rücken einmal ansehe?«
Er hob ruckartig den Kopf und erstarrte für einen Moment. Niemand hatte es bislang riskiert, ihn darauf anzusprechen und er hatte die Narben immer gut versteckt. Und dieser Unbekannte wagte es nach einer knappen halben Stunde? »Ich glaube nicht, dass Feuerdistel da hilft.« Dieses Gift konnte sie nicht entziehen.
Noah hob die Hände zu einer versöhnlichen Geste. »Das habe ich auch nicht gemeint. Ich bin ein guter Zuhörer, solltest du jemals einen brauchen.« Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein. Noah ging zu dem großen Wandschrank, öffnete mit einem leisen Quietschen die Tür, griff hinein und warf Alexander ein hellgrünes Hemd entgegen. »Zieh das an, Alexander. Es ist sauber und im Gegensatz zu deinem nicht zerrissen. Morgen findet sich sicherlich noch eine passende Hose für dich. Jetzt sehe ich mir deine Freundin an.«
Sie ist nicht meine Freundin! Ohne ein weiteres Wort streifte er sich das baumwollene Hemd hastig über seinen vernarbten Rücken. Noah war bereits an ihm vorbeigelaufen und hatte sich auf Annas Bett gesetzt. Er betrachtete sie prüfend, legte vorsichtig die Hand auf ihre Stirn und wandte sich dann an Alexander. »Sie ist nicht verletzt?«
Alexander schüttelte den Kopf. »Nein, nur fürchterlich schlapp und erschöpft.«
»Das wundert mich nicht. Dafür, dass ihr erst vorgestern angekommen seid und zwei nicht gerade erholsame Tage hinter euch habt, geht es euch ausgesprochen gut. Sie hat keine Verbindung hierher gehabt, richtig?«
Alexander runzelte die Stirn. Eine Verbindung hierher … Genau verstand er noch immer nicht, was damit gemeint war.
»Es gab keine magische Kreatur, die sie geführt hat, nehme ich an«, erklärte Noah.
»Ich glaube nicht. Obwohl Anna von dem Phönix geträumt hat.«
Noah rieb sich nachdenklich über das Gesicht. »Hm. Und du?« Er sah Alexander interessiert von der Seite an.
»Ich habe auch geträumt.«
»Aber deine Träume waren … echt?« Noah hob eine Braue.
»Ja, sie waren ziemlich echt. Anfangs waren es nur Träume, doch nach einiger Zeit war ich mir nicht mehr sicher. Traum und Wirklichkeit sind verschmolzen.« Er musterte Noah, doch in den Augen des rotblonden Mannes war außer Interesse und Neugierde nichts zu erkennen, kein Spott, kein Zweifel. »Ist es möglich, dass …«, Alexander hielt inne, die Hände auf den Holzrahmen am Fußende des Bettes gestützt. Er hatte das Bedürfnis etwas Echtes, Wirkliches unter seinen Fingern zu spüren und Holz war echt, das wusste er genau. »… dass die Grenze zwischen hier und … und …« Es war einfach zu verrückt, was redete er da eigentlich für einen Unsinn? Alexander holte tief Luft. »… zwischen hier und dort sozusagen verwischen kann? Dass die Kreaturen, die ich drüben gesehen habe, und die eigentlich hierher gehören, wirklich dort waren?« Warum fragte er das eigentlich alles einen Mann, den er kaum kannte? Jemand, der ihm eine viel zu persönliche Frage
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