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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Männern. Tyackes Leben auf dem kleinen Schoner hatte seine Spuren hinterlassen. Aber vielleicht war er schon immer so gewesen.
    Er legte die Hand über die Augen, um das langsame Reagieren des Schiffs zu beobachten. Der lange Bugspriet bewegte sich wie ein Zeigestab, bis die feindlichen Schiffe langsam und scheinbar von Bug zu Bug vorüberglitten.
    »Neuer Kurs liegt an, Sir. Kurs Nordost!«
    Bolitho beobachtete die so hoch am Wind widerspenstig zitternden Segel. Anders ging es nicht. Nur die
Indomitable
hatte die Feuerkraft, das in einem Angriff zu schaffen. Die
Chivalrous
war zu klein, die anderen Schiffe zu weit weg. Sie würden ihre Chance schon bald bekommen.
    Avery verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte nicht zu zittern. Die Luft war immer noch schneidend. Das stärker werdende Sonnenlicht, das die kleinen Wellen wie mit gebrochenem Gold färbte, täuschte.
    Er sah Allday, der das alles wahrnahm wie ein Mann, der so etwas schon viele Male erlebt hatte. Er betrachtete das offene Achterdeck: die Seesoldaten in ihren scharlachroten Uniformen mit ihrem Offizier, David Merrick. Die Stückmannschaften und die Rudergänger, jetzt vier an der Zahl, ein Gehilfe des Masters neben ihnen. Tyacke hielt sich – die Hände auf dem Rücken unter den Schößen des Uniformrocks verborgen – abseits, auch abseits vom Admiral, der dem jungen Midshipman Essex irgend etwas erklärte. Etwas, das der sicher nie vergessen würde, wenn er diesen Tag überlebte.
    Avery schluckte schwer, weil er etwas mehr gesehen hatte als andere. Allday, der wahrscheinlich erfahrener war als jeder andere an Bord, suchte Schwächen und Gefahrenpunkte. Er sah über die Finknetze hinaus mit den fest eingerollten Hängematten und hoch auf den Großmars, wo Seesoldaten über der Schutzwand zu erkennen waren. Auf der Höhe würde auch der Großmars des Feindes sein, wenn er denn nahe genug herankäme. Er dachte an die feindlichen Scharfschützen, die zum größten Teil Waldläufer waren, Männer, die von ihrer Zielgenauigkeit lebten. Dieser Gedanke ließ Avery frösteln. Denn diese Schützen waren sicher mit den neuesten und sehr genau schießenden Gewehren ausgerüstet.
    Wo lag aber die Quelle für Alldays Besorgnis? Doch wohl in Bolithos Geste, mit der er den Hut mit den goldglänzenden Litzen aufgesetzt hatte. Man erzählte sich, Nelson habe sich vor der letzten Schlacht geweigert, seine Orden abzulegen. Erst als er sterbend, mit zerschossenem Rückgrat nach unten getragen wurde, hatte er befohlen, sie abzudecken. Auch so eine große Geste: Bevor die Schlacht nicht gewonnen war, sollten die Männer nicht wissen, daß ihr Admiral gefallen war.
    All das zeigte sich in Alldays besorgtem Gesicht. Als sich ihre Blicke über das Deck hin trafen, bedurfte es zwischen ihnen keiner weiteren Worte.
    »An Deck! Die Boote werden drüben längsseits geholt!« Bolitho ballte die Fäuste. Seine Besorgnis konnte er jetzt nicht mehr verbergen.
    Avery wußte das von dem Augenblick an, als Bolitho die entscheidende Bedeutung der Boote erwähnt hatte. Trotz der Risiken und der hohen Wahrscheinlichkeit, den Tag nicht zu gewinnen, hatte er die Alternative bedacht: Die
Indomitable
könnte gezwungen sein, auf Boote zu schießen, die randvoll waren mit hilflosen Männern, die zur eigenen Verteidigung keinen Finger heben konnten. Zeichnete so etwas diesen Krieg aus? Oder waren das nur die Überlegungen eines menschenfreundlichen Mannes?
    Tyacke rief laut: »Da geht irgendwas schief, Sir!«
    York sah durchs Glas. »Der Yankee ist auf Grund gelaufen, Sir!« Er schien überrascht.
    Bolitho beobachtete, wie die Sonne sich in den fallenden Segeln spiegelte, die mit einem Teil des Großmastes herunterkamen. Er glaubte fast, das Krachen zu hören. Eine große Fregatte, die es Kanone um Kanone mit der
Indomitable
aufnehmen konnte, war machtlos gegen die See und die Zerstörungen am Rumpf und im Rigg. Die Boote waren schon zur Hälfte oder ganz mit blau Uniformierten besetzt. Waffen und Ausrüstung lagen völlig durcheinander, während den Männern klar wurde, was gerade geschah.
    Bolitho befahl: »Klar bei Steuerbordbatterien, Kapitän Tyacke.« Er erkannte seine eigene Stimme kaum wieder. Flach, hart und ohne jedes Gefühl. Sie klang wie die eines Fremden.
    Daubeny schrie: »Steuerbordbatterie!
Ausrennen

    Die schweren Vierundzwanzigpfünder rollten schwer an die Stückpforten und schoben durch die Mündung. Die Stückführer gaben Handzeichen, um ein Durcheinander zu

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