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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Ende eines kalten Tages nasse Hängematten das Leben noch ungemütlicher gemacht.
    Gestalten tauchten auf und verschwanden wieder im Nebel. Offiziere kamen mi t Fragen, andere erwarteten klare Instruktionen, ehe sie sich an Land rudern ließen: Wieviel Vorräte mußte dieses Kriegsschiff bunkern?
    Mein Schiff
. Doch die wahre Befriedigung kam nicht. Der Stolz, den er manchmal für dieses Schiff empfand, hielt sich durchaus in Grenzen.
    Man schrieb März im Jahre 1813. Er starrte über das Deck. Er konnte kaum glauben, daß er im nächsten Monat schon zwei Jahre lang die
Indomitable
kommandiert hatte. Was kam als nächstes? Wohin ging es, mit welchem Ziel? Die
Indomitable
war sehr viel mächtiger als andere Schiffe ihrer Klasse. Sie war als Linienschiff dritter Klasse gebaut und auf eine schwer bewaffnete Fregatte reduziert worden. Im September, als sie sich neben die
U.S.S. Unity
legte, konnte sie es mit der überragenden Feuerkraft des Amerikaners mit ihren vierzig Vierundzwanzigpfündern und vier Achtzehnpfündern durchaus aufnehmen.
    Umschwärmt von Seeleuten, die er kaum erkennen konnte, setzte Tyacke seinen Spaziergang fort. Man respektierte seinen Wunsch nach Einsamkeit am Morgen. Er lächelte kurz. Leicht war es nicht gewesen, doch er hatte die Männer zu einer Mannschaft zusammengeschmiedet. Sie hatten ihn verflucht, ihn gefürchtet, ihn sogar gehaßt – doch das war alles Vergangenheit.
    Sie hatten ihre Lektionen gelernt. Wieder schaute er auf die nassen Decksplanken. Sie hatten dafür auch bezahlt. Wenn der Nebel sich hob, wie Master Isaac York vorhergesagt hatte, würden die Reparaturen, die neuen Planken und Hölzer sichtbar werden, trotz des Kalfaterns und des Teers, trotz der frischen Farben und Lackierungen. Zuhauf waren Männer an jenem Septembertag gefallen. Matthew Scarlett war von einer Enterpike aufgespießt worden. Sein letzter Schrei war im allgemeinen Gebrüll und im Lärm, wenn Stahl auf Stahl traf und Kanonen röhrten, verhallt. Schiffe kämpften, und Männer starben. Sicher waren schon viele vergessen. Und da… Er blickte auf den Stapel frisch gepönter Geschützkugeln. Eine gewaltige Kugel der
Unity
hatte den Midshipman Deane, kaum älter als ein Kind, zermalmt. Und währenddessen waren der Admiral und sein großer Flaggleutnant über das zersplitterte Deck geschritten, damit die Männer, die von Preßgangs oder Vaterlandsliebe an Bord getrieben worden waren und jetzt um Schiff und Leben bangen mußten, sie sehen konnte n.
    Tyacke hatte die Vorstellung immer gehaßt, auf einem großen Kriegsschiff zu dienen, geschweige denn auf einem unter einer Admiralsflagge. Bolitho hatte seine Einstellung geändert. Seltsamerweise fühlte sich Tyacke nicht unabhängiger oder freier, wenn Bolitho nicht an Bord war und seine Flagge nicht an der Großmaststenge auswehte. Der Zwang, wegen Reparaturen im Hafen zu bleiben und auf neue Befehle zu warten, verstärkte nur sein Gefühl, eingeschlossen zu sein. Tyacke liebte die offene See – und brauchte sie mehr als andere. Er berührte seine rechte Gesichtshälfte und sah sie vor sich wie jeden Morgen beim Rasieren. Weggerissen, verbrannt, nichts Menschliches. Warum sein Auge unverletzt war, blieb ein Wunder.
    Er dachte an die kürzlich an Bord Gefallenen, nicht zuletzt an Troughton, den einbeinigen Koch. Er konnte sich noch gut an den Augenblick erinnern, als er das Kommando über die
Indomitable
übernommen hatte und sich mit einem nervösen Knoten im Magen laut vor versammelter Mannschaft einlas. Auf seinem letzten Kommando auf der Brigg
Larne
hatte er sich gezwungen, das neugierige Anstarren und das Mitleid zu akzeptieren. Klein und intim war sie gewesen, jeder konnte sich auf den anderen verlassen. Bolitho hatte einst von ihr als dem sicherlich einsamsten Kommando der Welt gesprochen. Trotzdem war sie sein Leben gewesen. Bolitho verstand, daß Tyacke Einsamkeit mehr als alles andere suchte.
    Schon am ersten Tag an Bord der
Indomitable
war ihm klar geworden, daß die, die ihm da schweigend zuhörten, ohne Zweifel mehr am Charakter des neuen Kommandanten interessiert waren als an seiner Entstellung. Schließlich war er der Herr und Meister an Bord, der jedermann fördern oder zerbrechen konnte – wie immer er wollte. Der Neubeginn auf einem so riesigen Schiff unter den Augen Fremder erleichterte sein Los nicht. Eine Mannschaft von zweihundertsiebzig Offizieren, Seeleuten und Seesoldaten – eine ganz andere Welt.
    Einer hatte ihm die neue Aufgabe leicht

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