Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Bärchenpullis tragen könnte. Dazu ist er, nun ja, zu massiv.
Am besten sieht er aus, wenn ich ihn anziehe wie einen Mann in den besten Jahren: dunkelblaue Pullunder, braune Kordhosen und Strickjacken mit Lederflicken an den Ellenbogen.
Irgendwie ist mein Schlominsky kein Baby mehr, und ich habe tatsächlich vor einer Woche zum letzten Mal gestillt.
Eigentlich wollte ich das Ganze noch ein wenig hinziehen, genaugenommen bis Silvester, das ich nämlich gerne in Anwesenheit erwähnenswerter Brüste gefeiert hätte.
Aber plötzlich ging das Abstillen schneller als erwartet. Komplikationen, mit denen ich fest gerechnet, auf die ich eigentlich fast gehofft hatte, blieben aus. Ich wurde ohne größere Schwierigkeiten ersetzt durch Kürbisgemüse, Pastinakenbrei, Dinkelflocken und Pulvermilch.
Das ist einerseits erfreulich. Andererseits hart. Schließlich muss sich nicht nur mein Sohn daran gewöhnen, nicht mehr gestillt zu werden, sondern auch ich muss mich daran gewöhnen, nicht mehr zu stillen.
Ich scheine da etwas empfindlicher als er zu reagieren. Auf einmal bin ich nicht mehr unersetzlich, wir sind keine untrennbare Einheit mehr, mein Körper ernährt niemanden mehr außer mich, das biologische Wunder ist vorbei, die Symbiose gelöst, ich bin wieder ganz ich selbst.
Die Stillzeit ist vorbei. Und ich stehe verblüfft da mit schwindender Oberweite und sinkender Stimmung.
«Warum können Frauen nicht zugeben, dass es
unerträglich sein kann, einen ganzen Tag mit einem
kleinen Kind zu verbringen? Deshalb ist man
doch nicht gleich eine schlechte Mutter.»
ELISABETH BADINTER
15. Dezember
Z urzeit, ich muss das so offen sagen, gehen mir sehr viele Leute auf den Wecker. Im Grunde genommen alle.
Ich kann aus diversen, fadenscheinigen Gründen meinen Mann nicht leiden, und das ist einer friedlichen Stimmung zu Hause schon mal gar nicht zuträglich.
Kinderlose Menschen nerven mich ungeheuerlich mit der beknacktesten Frage von allen: «Und? Wie ist das jetzt so mit Kind?»
Ja, was soll ich dazu sagen? Es gibt darauf doch überhaupt keine Antwort, die nicht weniger als achtundvierzig Stunden Zeit beanspruchen würde. Meist schweige ich dann in stiller Verachtung und zucke viel- beziehungsweise nichtssagend die Schultern.
Was allerdings etliche Fragesteller dazu ermuntert, sich die ihrer Meinung nach passende Antwort gleich selbst zu geben. Und die lautet immer: «Ist schon was ganz anderes irgendwie, oder?»
Nobelpreisverdächtig, dieser Satz. So kurz, so richtig, so doof. Wenn ich sehr schlecht gelaunt bin – und das ist wie gesagt derzeit meistens der Fall –, antworte ich, Verblüffung heuchelnd: «Wieso anders? Nein, wie kommst du darauf?» Und damit ist das Gespräch dann auch beendet.
Leute mit Kindern gehen mir jedoch keinen Deut weniger auf den Zeiger. Auf einmal behandeln sie einen so, als sei man einer geheimen Bruderschaft beigetreten, die allein den Weg zu Glückseligkeit und Erfüllung kennt.
«Kinder geben einem Leben doch erst den wahren Sinn», raunen sie einem verschwörerisch zu, während sie ihr tropfnasiges Baby, das gerade meinem Baby eine Dinkelstange ins Ohr bohrt, beseelt anlächeln, als handele es sich um einen Engel. Ach, was sage ich, um einen Erzengel!
Die Kinderreichen, deren Leben demnach ganz besonders viel wahren Sinn haben muss, fragen dann noch gerne: «Und, wann kommt das Nächste?»
Darauf reagiere ich besonders allergisch. Denn ich sehe sowieso immer noch so aus, als sei ein zweites Kind bereits längst unterwegs. Und außerdem will ich mein altes Leben zurück. Wenigstens Teile davon!
Ich habe meinen knackigen Personal Trainer gegen eine gestrenge Krankengymnastin eingetauscht, die versucht, meine durch Gewicht und Verspannung verschobenen Knochen wieder ins rechte Lot zu bringen. Ich bin irgendwie schief, und über meinem Bauch schließen sich die Muskeln nicht so, wie sie es tun sollten.
Sie quält mich mit Übungen und sagt, ich solle mich gedulden. Bei älteren Müttern könne es bis zu zwei Jahre dauern, bis der Körper sich von einer Schwangerschaft erholt habe. Und in der letzten Stunde wies sie deutlich darauf hin, dass es sich bei meinem Bauchproblem nicht nur um eine gymnastische, sondern auch um eine subkutane Herausforderung handle.
Ich arbeite stoßweise und viel zu wenig. Nur wenn Schlomo schläft oder mit seinem Vater unterwegs ist.
Nein, mit mir ist zurzeit nicht gut Kirschen essen. Und die Verantwortlichen für meine Verstimmungen habe ich auch
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