Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
bereits gefunden, und ich bin sehr froh, dass ich mal wieder überhaupt nichts dafür kann.
Schuld sind nämlich die Hormone. Die sind es ja irgendwie immer. Aber nach dem Abstillen spielen die Dinger ganz besonders verrückt. Stürzen im Steilflug nach unten. Dem Höhenrausch folgt ein Tiefenrausch. Und das zu einer Zeit, in der man den ein oder anderen körpereigenen Stimmungsaufheller gut gebrauchen könnte.
Abstillen bedeutet nämlich Abschied. Von der innigen, körperlichen Mutter-Kind-Bindung, der unsichtbaren Nabelschnur und so weiter. Vor allem aber bedeutet es, ich erwähnte es bereits: Abschied von den Brüsten. Und der ist auch verdammt bitter.
Innerhalb weniger Wochen gehört man wieder zu der Sorte Frau, der erst ins Gesicht geschaut wird, dann auf die Hände, dann ins Dekolleté und dann, na ja, dann wird sie gefragt, was und wo sie studiert hat.
Wer jemals in den Genuss der Privilegien kam, die ein gut ausgefülltes C-Körbchen mit sich bringt, wird sich daran ein Leben lang schwer- und wehmütig erinnern.
Johanna lächelt bloß noch gequält, wenn es ums Thema Oberweite geht. Früher, beim Volleyball in der sechsten Klasse, trug sie einen Sport-BH, während mir ein Hemdchen ohne was drunter vollkommen ausreichte. Sie wurde von dem anbetungswürdigen Marco O. aus der Elften um eine Verabredung gebeten, während mir Bruno K. aus der Parallelklasse nachstellte, den alle wegen seiner ausgeprägten Pubertätsakne nur «Streuselbrötchen» nannten.
Es ist ja so: Je weniger Busen man hat, desto lauter beschwert man sich über die Oberflächlichkeit von Männern und darüber, wie erbärmlich es ist, mit anzusehen, wie gut gebaute Frauen diese unverdienten Reize einsetzen statt scharfen Verstand und klugen Humor.
Gehörst du aber für kurze Zeit deines Lebens einmal selbst zu den Titten-Tussen, wirst du begeistert mitmachen, tiefste Dekolletés tragen und nicht aus feministischen Gründen jeden Drink ablehnen, der dir spendiert wird.
Heute klagen Johanna und ich gemeinsam. Über Männer, Hormone und Bindegewebe, das seinen Namen nicht mehr verdient, weil es eigentlich nicht mehr viel verbindet.
Und wo ich schon mal gerade dabei bin – meine Güte, meine Laune ist wirklich unterirdisch –, kann ich ja auch gleich noch mein absolutes Lieblings-Jammer-Thema anschneiden.
Stichwort: die Nacht.
So relativ geruhsam die Nächte im ersten halben Jahr nach Schlomos Geburt waren, so nervenzehrend sind sie derzeit. Man freue sich folglich nicht zu früh und posaune es nicht in prahlerischer Absicht herum, wenn das Kind durchschläft. Das kann sich ganz schnell ändern.
Es gab ja Zeiten, wo man weit nach Mitternacht gemütlich ins Kissen geschnorchelt oder in einer angesagten Bar den dritten Cuba Libre geordert hat oder in den Armen eines angesagten Mannes fand, dass die Nacht doch eigentlich noch jung und viel zu schade zum Schlafen sei.
Heute werden meine Nächte steinalt. Und ich mit ihnen.
Zunächst lehnt mein Sohn es grundsätzlich ab, in seinem Bett einzuschlafen. Er besteht darauf, es sich auf Vaters oder Mutters Arm bequem zu machen und dann eine Weile – eine lange Weile – vor sich hin zu sinnieren, Laute zu murmeln und an seinem Schnuller zu saugen, als sei er mit Flüssigschokolade gefüllt.
Wenn die Geräusche leiser werden, versuche ich ihn Zentimeter für Zentimeter in sein Bettchen hinuntergleiten zu lassen. Das geht in der Regel schief, und bevor Schlomos Körper die Matratze überhaupt berührt hat, erklingt bereits zorniges Protestgeschrei.
Ich also zurück auf den Sessel. Warten. Warten. Warten.
Liegt der Sohn endlich schlafend im Bett, kommt es darauf an, sich geräuschlos aus dem Zimmer zu schleichen. In einem Altbau mit knarrenden Dielen keine ganz leichte Unternehmung.
Höchstkonzentriert balanciere ich also zwischen den potenziell gefährlichen Knarz-Stellen hindurch bis zur rettenden Tür. Neulich übersah ich dabei ein Spielzeug. Ich trat drauf, die Gummigiraffe quietschte, ich fluchte, der Schlomenberger schrie.
Auch gegen halb drei Uhr morgens bin ich öfter mal wach, und man sieht mich in der Wohnung auf und ab gehen und singen.
Es gibt einen seltsamen Konstruktionsfehler bei fast allen Babys, irgendwer muss da bei der Erfindung gepennt haben. Sie schlafen nicht gern ein, sie schlafen nicht gern durch, und sie schlafen nicht gern aus. Und wenn, nur auf Objekten mit Herzschlag, die sich rhythmisch bewegen und «Lalalala» machen.
Dieses Objekt heißt im Zweifelsfall
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