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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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Aliyat an. »Wer ist er?«
    »Du meinst, wie er heißt?«
    »Na wenigstens das!«
    »Wie er heißt, weiß ich nicht, aber der Spitzname ist Kahirab.«
    »Das heißt, er stammt aus dem Trunkenen Schatten?«
    »Nun ja … Gestern hat er Ar-Naus Schatten in Aufruhr versetzt, hat drei Schiffe gebracht …«
    »Ar-Nau? Das ist doch gleich neben den nickenden Hämmern!«
    Aliyat erstarrte für eine Sekunde.
    »Du denkst, dass er …« Sie sprach nicht zu Ende.
    »Sicher bin ich mir!«, knurrte Ar-Scharlachi, während er sich die zweite Schale eingoss. »Du kannst Gift darauf nehmen, die lassen mich nicht unbeaufsichtigt … Was soll ich denn nun machen, hm?«
    Den letzten Satz sagte er in überaus kläglichem Ton. Aliyat setzte sich schüchtern zu ihm und legte ihm den Arm um die Schultern. Eine Sklavin, in allem ihrem Herrn gehorsam. Er hätte sie früher in eine Düne eingraben sollen …
    »Du brauchst doch gar nichts zu machen«, flüsterte sie heiß. »Sie machen alles selber. Bist du denn schlechter als Ulqar?«
    »Und was wird mit Ar-Ajafa?«
    Aliyat rückte ein kleines Stück ab. »Mit dir hat das hier überhaupt nichts zu tun«, sagte sie ernst. »Sie haben selber gemeutert. Wir waren da noch nicht in diesem Schatten, so ist es doch?«
    »Das ist es ja eben!«, schrie er verzweifelt auf. »Die, die gemeutert haben, werden mit uns wegfahren! Und die, die es nicht getan haben? Die bleiben doch hier! Woran sind sie schuld?«
    »An nichts«, sagte Aliyat. »Aber das ist doch ein Krieg. Alle kannst du nicht bewahren … Dort warten Leute«, erinnerte sie ihn mit einem Kopfnicken zur Tür hin. »Trink, und ich versteck’s …«
    Finster schweigend stürzte Ar-Scharlachi die zweite Schale hinunter, gab sie zusammen mit dem Krug Aliyat und murmelte missmutig: »Ruf die …«
    Als sich die Führer der Abteilungen und die Abgesandten der aufständischen Schatten gesetzt hatten, thronte Ar-Scharlachi schon auf den Kissen, wie es dem künftigen Gebieter des Palmenweges gebührte: gerader Rücken, hochmütiger Blick.
    »Wer es erdacht hat, der führt es auch aus, nicht wahr, Kahirab?«, sagte er leise und langsam.
    Der dunkelstirnige, schwarzäugige Kahirab senkte erleichtert tief das Haupt.
    »Es ist dein Plan«, fuhr der Anführer gemächlich fort, als koste es ihn Überwindung. »Also wirst du auch das Kommando führen …«
    »Ich danke für die Ehre!«, antwortete jener mit Gefühl.
    Man warf ihm Blicke zu – neidische, respektvolle oder einfach aufmerksame.
    Ar-Scharlachi fühlte sich miserabel. Er wartete, hoffte, der Wein werde seine übliche Wirkung tun, ihn werde im letzten Moment die Inspiration erfassen … Oder nein, nicht einmal Inspiration, sondern einfach Kühnheit. Entweder hatte er nicht genug getrunken, oder er war einfach müde, jedenfalls klappte es nicht, er brachte nicht heraus, was er vorhatte zu sagen: »Kommandiere, zieh dich zurück, zerschlage Ulqars Karawanen einzeln, aber ich bleibe hier …« Und sie würden nichts mit ihm machen …
    Und trotzdem musste er irgendetwas sagen, ihn irritieren, ihm den Hochmut austreiben, sich irgendwie für die eigene Schwäche revanchieren …
    »Ach, übrigens, Kahirab …«
    Dieser hob den Kopf. Die schwarzen Augen voller Aufmerksamkeit und Achtung – nichts auszusetzen.
    Und Ar-Scharlachi fuhr wie beiläufig fort: »Eine Bitte: Grüße Tiangi von mir … bei Gelegenheit.«
    Wie erwartet, war Kahirab aufrichtig verwundert: »Welchen Tiangi?«
    Ar-Scharlachi lächelte langsam, ohne den spöttisch-verächtlichen Blick von ihm zu wenden. »Du kennst Tiangi nicht?«
    »Ich kenne mehrere Menschen dieses Namens.«
    Das Lächeln verblich.
    »Du meinst offensichtlich die linke Hand von Ani-Tamahi«, fuhr der dunkelhäutige Kahirab mit den starrsinnigen Brauen mit schamloser Offenheit fort, ohne beiseitezublicken. »Gut, ich übermittle das noch heute …«

30
    Nachtregen
    D er Priester mit dem kahl rasierten Schädel (genauer gesagt, nicht der Priester selbst, sondern ein Tempeldiener, die Priester hielten ein Schweigegelübde) deutete an, da der Krieg bald nicht nur um die Unabhängigkeit des Palmenweges gehen werde, sondern auch für den Glauben der Väter, dann solle doch er, Scharlach, vor allen anderen ein Beispiel der Ehrsamkeit geben. Dieser Vorschlag traf sich auf seltsame Weise mit Ar-Scharlachis eigenem Wunsch, der sich eigentlich nicht durch besondere Frömmigkeit auszeichnete und zudem von den zersetzenden Ideen des weisen Gojen vom göttlichen Wesen des

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