Unter dem Räubermond
Geschichten war freilich ganz unbestimmt. In Ar-Nujers Schatten beispielsweise schlug die Wache doch noch Alarm, und die Bewohner der Oase wurden von der wütenden Soldateska bis auf den Letzten niedergemetzelt.
Am dritten Tag kam von irgendwo die Nachricht, dass sich Gortka eingemischt hatte. Es wurde behauptet, der kimirische Gesandte habe dem ehrwürdigen Alras eine Schriftrolle mit einer unmissverständlichen Invasionsdrohung für den Fall übergeben, dass die Truppen Harwas den Palmenweg nicht in Frieden ließen. Die Ereignisse entwickelten sich wieder, wie Kahirab es gesagt hatte, und für Leute mit Durchblick (sagen wir, für Ar-Scharlachi) hieß das, dass im Süden, in den Sanden der nickenden Hämmer, der ruhige, breitwangige Tiangi endgültig die Oberhand über einen gewissen Tamuori und dessen Gleichgesinnte gewonnen hatte.
Die Kräfte Harwas in mehrere Karawanen zu zerreißen, um sie dann einzeln zu erledigen, war allerdings nicht gelungen.
»Auch nicht schlimm«, sagte Kahirab bei sichtlich verbesserter Laune, als er wieder einmal mit einem Rapport die Kajüte des Herrschers des Palmenwegs betrat. »Es wird eben ein großes Gefecht geben anstelle von zwei, drei kleinen …«
Das alles erinnerte Ar-Scharlachi lebhaft an die Ereignisse vor fünfzehn Tagen, als Aliyat, die eigenmächtig das Kommando an sich gerissen hatte, ihm je nach Laune jede Kleinigkeit gemeldet hatte, nur nicht die Hauptsache.
»Und dass bei denen ein Drittel der Truppen neue Schilde hat?«, fragte Ar-Scharlachi missmutig. »Das beunruhigt dich nicht?«
»Ach!« Kahirab winkte leichtfertig ab. »Die Schilde! Weißt du, offen gesagt, die Schilde sind überhaupt keine Waffe. Sie haben niemals eine entscheidende Rolle gespielt.«
»Ach so?« Ehrlich gesagt, war Ar-Scharlachi von dem letzten Satz unangenehm überrascht. Sogar etwas gekränkt. »Aber mit ihrer Hilfe hat Kimir einst Harwa besiegt. Und als ihr Ulqar mit den gekrümmten Schilden versorgt habt, konnte er sich von Kimir losreißen …«
»Das ist auch nur der Anschein. In Wahrheit hat er aus einem ganz anderen Grunde gesiegt.«
»Warum liefert ihr sie dann?«
»Eben darum«, antwortete Kahirab mit einem dreisten Grinsen. »Das war euer eigener Einfall – sich dem Feind gegen die Sonne zu nähern und ihn mit den Spiegeln zu blenden. Außer euch, glaube ich, ist so ein Unsinn niemandem eingefallen … Wie soll ich dir das am anschaulichsten erklären …? Weißt du, es gibt Länder, da ist es nicht üblich, sich mit den Füßen zu schlagen. Man schlägt nur mit den Fäusten und dem Kopf …«
»Aber das ist doch töricht!«, platzte Ar-Scharlachi heraus.
»Klar doch. Und trotzdem ist es so üblich. Ja, ist denn das, was ihr tut, nicht töricht? Du hast doch selbst erzählt, wie du dem Karawanenführer Chaïlsa entkommen bist … Quer durch die kimirische Karawane hindurch – und weg warst du!«
»Wir liefen einfach direkt vor dem Wind«, erklärte Ar-Scharlachi ein wenig verwirrt, als rechtfertige er sich. »Und der trieb den Staub den Kimirern direkt entgegen …«
»Genau! Was sind die Schilde schon für ein Problem? Sogar mit eurer Technik … Du lädst das Katapult mit Ruß – und fertig. Die Phalanx ist geblendet, mach mit ihr, was du willst …«
»Das gilt eigentlich als unehrenhaft«, bemerkte Ar-Scharlachi trocken. »Das haben nur die Eingeborenen gemacht … Nur dass die natürlich keine Katapulte hatten. Schleudern hatten sie …«
»Wovon rede ich denn mit dir? Ihr seid einfach noch nicht auf einen hinreichend starken Gegner gestoßen, der sich nicht um eure albernen Regeln schert.«
»Was denn«, fragte Ar-Scharlachi besorgt, »hast du tatsächlich vor, sie mit Ruß aus den Katapulten zu blenden?«
Kahirab lachte. »Nicht doch! Denk doch nur, was für einen Ruf du dann in Kimir hättest! Und das ist ja unser künftiger Verbündeter … Nein, so offensichtlich werden wir die Anstandsregeln nicht verletzen. Außerdem habe ich bemerkt, dass die Bewohner des Palmenwegs den Spiegelkampf überhaupt nicht mögen. Wir werden einfach auf eine einheitliche Phalanx verzichten (auch so eine Dummheit!) und mit kleinen beweglichen Einheiten operieren. Wie in alten Zeiten.«
Ar-Scharlachi runzelte die Stirn und schielte unzufrieden nach dem Schränkchen, wo die versiegelten Krüge standen. Mit Kahirab zu reden war für ihn immer eine quälende Angelegenheit, eben weil jener die örtlichen Getränke verabscheute.
»Und selber?«, fragte Ar-Scharlachi verärgert
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