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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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auseinanderstieben. Ich bin nicht der Einzige, der in Sibra einen Schreiberling bezahlt …« Er verzog bekümmert das Gesicht und kratzte sich eine Braue. Angesichts seines Zögerns warteten Ar-Scharlachi und Aliyat, womit er sie wohl noch erfreuen würde.
    »Na ja, es ist nämlich so«, sagte Lako. »Dort im Kaffeehaus haben sich die Leute versammelt … Wollen mit dir reden, Wein trinken …«
    »Was für Leute?«
    »Hmm … Unsere Leute, zuverlässige. Manche aus Harwa, manche aus Kimir … Ich sag doch: Ich bin nicht der Einzige, der in Sibra einen Schreiberling bezahlt … Kurzum, es wird nie mand da sein, der nicht hingehört. Sie haben ja auch keinen Grund, sich mit der Armee anzulegen. Wollen mit dir reden …«
    Ar-Scharlachi warf Aliyat einen zweifelnden Blick zu. Sie war ernstlich erschrocken. Ein Kaffeehaus war ein reiner Männerort. Und was Ar-Scharlachi anstellen konnte, wenn er getrunken hatte und von niemandem zurückgehalten wurde, mochte sie sich nicht einmal vorstellen.
    Als auf der von Absätzen abgeschabten steinernen Terrasse des berühmt-berüchtigten Kaffeehauses Zur Schwarzen Zypresse der Wirt erschien, ein dicker, träger Kimirer, und an der schräg herausragenden Stange einen leuchtend hellblauen, wie aus dem Morgenhimmel geschnittenen Lappen befestigte (was hieß: »geladene Gäste«), leerte sich die Straße vor dem Kaffeehaus rasch. Keinem Bewohner Turklas brauchte man zu erklären, um welche Art Gäste es sich im gegebenen Fall handelte. Selbst ein Bettler in blendend weißen Lumpen, der in der Nähe gestanden hatte, hielt es für besser, sich ein Stück zur Kreuzung hin zu entfernen, von wo aus er freilich weiterhin verstohlen das Eintreffen der »geladenen Gäste« beobachtete. Jeden von ihnen erriet er auf den ersten Blick. Der Gast, der als Letzter in Begleitung des Raufboldes Lako kam, war ihm unbekannt, also konnte das kein anderer als Scharlach sein.
    Das Kaffeehaus länger zu beobachten war sinnlos und zudem gefährlich, darum machte der Bettler kehrt und humpelte über die mit einem rosa-grauen Granitmuster gepflasterte Straße zum Haus des Fuhrmannes Reyjsa, der seinen Vorteil daraus zog, Sibra über die hiesigen Vorgänge zu informieren, und zu diesem Zweck eine ziemlich zahlreiche Bande von Zuträgern unterhielt, zu der auch der Bettler gehörte.
    Morgen würde mit der Postgaleere nach Sibra sicherlich die Botschaft abgehen, dass sich die Anführer (Namen beiliegend) zur Beratung in der Schwarzen Zypresse getroffen hatten, also wohl mit Ereignissen zu rechnen sei …
    Im Kaffeehaus indes wahrte man den Anstand, hatte es nicht eilig, zur Sache zu kommen. In einträchtigem Schweigen trank man ein Schälchen, dann unterhielt man sich über die Winde, über Preise für Proviant, über die Mädchen aus Harwa, die heute auf dem Gelben Markt ausgestellt worden waren, und erst danach kam das Gespräch wie von selbst auf das, weswegen sie alle sich versammelt hatten.
    »Die Zeiten sind schwer, was soll man sagen …«, sprach gemessen ein hagerer, leicht gebeugter Anführer, der ein wenig dem toten Riybra ähnelte. »Es scheint gar nicht so übel zu sein, aber wenn man hinschaut – schlechte Zeiten … schwierige … Da heißt es, der Ulqar hat ein Edikt geschrieben, dass es keinen Raub mehr gibt. Danke schön … Der Staat hat weniger Schiffe: auch gut für uns … Dafür treibt jetzt kaum noch jemand Handel. Hier geht es noch, aber im Norden – alles leer …«
    »Kleine Händler gibt es so gut wie nicht mehr«, sprach mit Bassstimme ein anderer, nachdem er dumpf gehustet hatte. Auf der Schulter trug er eine massive Fibel in Form eines angreifenden Skorpions. »Die kleinen Schatten sind ganz heruntergekommen, was ist da schon zu holen …! Aber wer als Kaufmann etwas reicher ist, fährt nicht allein, sie bilden Karawanen, heuern Geleitschutz an … Wer kommt denn mit einem einzigen Schiff gegen eine Karawane an!«
    Ar-Scharlachi schwieg finster, hob nur ab und zu das untere Ende des Schleiers an und nippte vom Wein. Es wäre sicherlich klüger gewesen, Kaffee zu nehmen, doch dieses Getränk konnte er von Kind an nicht leiden.
    »Die Kaufleute sind eben klüger als wir«, warf Lako grinsend hin. »Oriysa hat recht. Wenn man sich jetzt mit Kleinkram abgibt, verhungert man …«
    »Und dann noch diese nickenden Hämmer …«, murrte jemand, anscheinend darauf aus, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Früher hat man nie von ihnen gehört. Aber jetzt heißt es immerzu:

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