Unter dem Räubermond
traf sogar zu. Doch man konnte ihm ja nicht gut erklären, dass beide vorhatten, zum Palmenweg hinaufzufahren und dort Scharlach ausfindig zu machen! Bestenfalls wäre Lako gekränkt, weil er es für einen schlechten Scherz hielte …
Über der Wüste spielten Trugbilder. Am linken Steigbügel ergrünte eine Oase, die es dort nie gegeben hatte. Dann verschwand sie wieder.
Gegen Mittag meldete der Ausguck einen großen Staub, der zur rechten Schulter aufgetaucht war. Die Sandwolke kroch von Süden heran und wurde folglich wohl kaum durch die Räder von Kriegsschiffen aufgewirbelt. Höchstwahrscheinlich waren es Kaufleute aus Turkla, was sich schließlich auch als zutreffend erwies.
Beim Anblick des Samum und des Weißen Skorpion , die in dieser Gegend zu traurigem Ruhm gelangt waren, ließ die Händlerkarawane tapfer Schilde und Speerspitzen funkeln. Doch die Sandraubtiere waren diesmal satt und durchaus friedfertig gestimmt. Und lohnte es denn, wegen dreier Krämer die in Sibra gewonnene Beute aufs Spiel zu setzen?!
Beide Karawanen machten halt. Ar-Scharlachi und Lako gingen an Bord eines Kauffahrers, wo sie mit den Kaufleuten und dem Anführer der Söldner jeder eine Schale Wein tranken (worauf nach dem Gesetz der Wüste von einem Überfall keine Rede mehr sein konnte) und sich erkundigten, was es in Turkla Neues gebe.
Dabei stellte sich auch heraus, warum die von Sibra ausgesandten Truppen am Vortag auf halbem Wege kehrtgemacht hatten. Die beiden Treiber von Turkla hatten nämlich, von einer derart unerhörten Einmischung Harwas in ihre Angelegenheiten beunruhigt, den Kriegsschiffen eine Postgaleere mit einer langen Liste von Drohungen und Forderungen entgegengeschickt. Wenn die beiden aus Sibra kommenden Karawanen, hieß es dort, nicht unverzüglich umkehrten, werde Turkla sie erstens unter Waffen empfangen, zweitens alle Verträge mit Harwa zerreißen und drittens Kimir um Hilfe bitten. Es war klar, dass die Treiber ernstlich aufgebracht waren, und der Befehlshaber der Karawanen hielt es für besser, nach Sibra zurückzukehren, das er zu seiner Verwunderung belagert vorfand …
»Irgendwie klein, die Karawane«, bemerkte Ar-Scharlachi, als sie, im Sand stapfend, wieder zu ihren Schiffen gingen. Die Sonne schlug auf Kopf und Schultern mit dem Gewicht eines glühenden Hammers.
»Normal«, erwiderte Lako. »Drei, vier Schiffe, mehr zusammenzubringen lohnt sich nicht, sonst ruiniert man sich allein schon an der Bewachung … Unsere Leute in Turkla sind ja auch nicht dumm: Wenn ein Kaufmann gleich mehrere Banden anheuert, heißt das, es gibt was zu bewachen. Und sofort steigt der Preis …«
Ar-Scharlachi überlegte und sagte wegwerfend: »Was kann man auf drei Schiffchen schon an Waren transportieren? Da macht man doch Verlust …«
»Gar kein Gedanke!«, entgegnete Lako entschieden. »Verlust! Die nehmen doch in Harwa Preise, dass unsereins vor Neid blass wird … Also um die Kaufleute brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
Ar-Scharlachi warf ihm von der Seite einen seltsamen Blick zu und ging schweigend weiter, offensichtlich in unruhiges Grübeln versunken.
»Darauf also läuft es hinaus …«, sagte er langsam, als sie zwischen dem Samum und dem Weißen Skorpion stehen blieben. »Harwa weiß nicht wohin mit seiner Seide, Kimir kriegt sein Glas nicht los, der Palmenweg bettelt geradezu darum, dass man bei ihnen Proviant kauft … Hör mal, aber der Handel stirbt tatsächlich ab.«
Lako musterte den Anführer forschend, versuchte zu verstehen, worauf jener hinauswollte. Er verstand es nicht.
»Unser Leben lang wird es reichen«, knurrte er schließlich. »Na schön … Ich gehe zu mir auf den Skorpion . Sonst komme ich dort überhaupt nicht mehr vor …«
Ar-Scharlachi schaute ihm unzufrieden nach und ging zum Samum . Zweifellos war Lako viel klüger als die anderen Anführer und erst recht als die einfachen Räuber. Doch selbst ihm konnte Ar-Scharlachi nicht die Gedanken mitteilen, die ihn seit dem nächtlichen Gespräch mit dem schwarzen Zau berer Mbanga bedrängten. Mit Aliyat war auch nicht zu reden – sie würde meinen, er habe wieder getrunken und rede Unsinn.
Als er schon die rosa Bordwand mit den Vergoldungen erreichte, ertappte sich Ar-Scharlachi dabei, dass er verschämt vor sich hin lachte. So peinlich es war, es sich einzugestehen – am liebsten hätte er sich wieder an das kleine Lagerfeuer inmitten der hölzernen Götzen gesetzt und das Gespräch weitergeführt. Es lief darauf
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