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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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Holm einer Handelsgaleere schieben zu lassen … Ich kann mir vorstellen, wie sehr du ihn hasst.«
    Ar-Scharlachi zuckte innerlich mit den Schultern. Hasste er Ulqar? Wohl doch nicht … Hassen war zu viel gesagt.
    »Und vor fünfzehn Tagen«, fuhr Ani unerbittlich fort, »hat sich erwiesen, dass du auch noch ein außergewöhnlicher Heerführer bist …«
    »Ein Räuber«, berichtigte Ar-Scharlachi.
    »Wenn es um die Belagerung einer Stadt geht«, bemerkte Ani, ohne den Blick von ihm zu wenden, »verliert sich der Unterschied zwischen einem Räuber und einem Heerführer einigermaßen. Du bist der geborene Anführer, Ar-Scharlachi. Sonst wären die Leute nicht bereit gewesen, dir hierher zu folgen. Die Furcht vor den nickenden Hämmern zu überwinden – das, weißt du …«
    Ar-Scharlachi zwang sich, in die dunklen, aufmerksamen Augen zu blicken. »Worauf willst du hinaus, Tamahi?«
    Ani zog leicht die Brauen hoch. »Warum nennst du mich Tamahi?«
    »Tiangi spricht dich so an …«
    Ani und Tiangi wechselten vielsagende Blicke.
    »Du bist zweifellos klug«, sagte Ani. »Vielleicht sogar zu klug … Aber du hast gefragt, worauf ich hinauswill. Darauf, Ar-Scharlachi, dass du ein besseres Schicksal verdient hast. Ebenso wie auch der Palmenweg ein besseres Schicksal verdient hat. Deine Heimat. Mir scheint, dass Raub für dich eine zu anspruchslose Beschäftigung ist. Wäre es nicht wirklich an der Zeit, Schluss zu machen mit der erniedrigenden Abhängigkeit von Harwa? Wir werden dir helfen. Wir helfen immer denen, die für Gerechtigkeit kämpfen. Wir werden den Palmenweg mit weitreichenden Kampfschilden bewaffnen. Solche Schilde gibt es weder in Harwa noch in Kimir. Ulqar wird unweigerlich eine Niederlage erleiden …«
    »Und was verlangt ihr dafür?«
    »Nichts«, sagte Ani. »Die nickenden Hämmer nicht anrühren.«
    »Und nicht zum Meer fahren …«, sagte Ar-Scharlachi kaum hörbar.
    »Brauchst du es?«
    »Nein …«
    »Was beunruhigt dich dann?«
    Ar-Scharlachi hob mit leidender Miene den Blick. »Gebt mir noch zu trinken«, bat er.
    »Ich erkenne den Trunkenbold Ar-Scharlachi.« Tiangi erhob sich grinsend.
    Er nahm das zylindrische Glas vom Fußboden und verschwand im Nebenzimmer. Dann kam er zurück, und die Pro zedur wurde wiederholt. Ar-Scharlachi trank auf den brennen den Alkohol Granatapfelsaft und wartete, bis er wieder klar sehen konnte. Dann hob er den Kopf und sagte heiser: »Nein …«
    »Was ›nein‹?«
    »Ich werde keinen Aufstand anzetteln.«
    »Nach dem zu urteilen, was jetzt ringsum vor sich geht, hast du das fast schon getan.«
    »Wieder Blut …«, sagte Ar-Scharlachi tonlos und bekümmert. »Ich will nicht …«
    »Es ist seltsam, so etwas von jemandem zu hören, der Sibra in Brand gesteckt hat«, bemerkte Tiangi säuerlich. Er war sichtlich enttäuscht.

23
    Der Niemandsschatten
    D ie Karawane des ehrwürdigen Chaïlsa, die nun nur noch aus zwei Schiffen bestand, glitt aus der grauen Dämmerung hervor und fuhr in den gepriesenen Hafen von Ar-Kahirabas Schatten. Zu Unrecht, o ja, zu Unrecht hatte der ehrwürdige Alras boshaft behauptet, sein Onkel sei nicht einmal fähig, den Befehl über eine Vergnügungsfahrt zu führen. Solch eines Raubzuges ins Hinterland von Kimir hätte sich nicht einmal Anarbi geschämt. Nachdem er vor den überlegenen Kräften des Gegners zurückgewichen war, riskierte es der Karawanenführer kurze Zeit später dennoch, die Grenze zu überschreiten, um den meuternden Samum nun eben auf feindlichem Gebiet zu stellen. Doch das Schiff der Meuterer war wie vom Sande verschluckt, und bald stellte sich heraus, dass Zwieback und Wasser auf allen drei Schiffen verdorben waren. Der Karawanenführer Chaïlsa verfluchte abermals den ehrwürdigen Tamsaa, wünschte ihm Skorpione in beide Ärmel und beschloss, die Flottille auf Kosten von Harwas Erbfeind mit Proviant zu versorgen – er fiel über die Oasen Kimirs her wie ein Sandsturm. Er schlug zwei Schlachten, verlor eines seiner Schiffe und nahm, nachdem er sich mit Mühe von den Verfolgern abgesetzt hatte, Kurs auf den Trunkenen Schatten, wo ihm eine Verschnaufpause winkte, gespickt mit sorgenvollen Gedanken an die Zukunft.
    Wut und Verzweiflung, die den Karawanenführer zu diesem seltsamen Krieg getrieben hatten, waren in seiner Seele keineswegs abgeklungen, höchstens dass die Wut ein wenig ab- und die Verzweiflung zugenommen hatte. Er hatte den Befehl des Herrschers nicht erfüllt und zudem den Waffenstillstand gebrochen.

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