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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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postierten sich die beiden Männer vor Maya, die gehorsam ihren Kopf senkte und angestrengt ihre zitternden Knie unter Kontrolle zu bringen versuchte. Sie wagte nicht, sich auszumalen, was ihr bevorstand, sollte man sie als Frau erkennen – in einem Land, in dem beide Geschlechter strikt getrennt waren, drohten gewiss schwerwiegende Konsequenzen, wenn man sie enttarnte. Sie fuhr zusammen, als sich von hinten warme Finger um ihre vor Angst ganz kalten schlossen. Djamila war neben sie getreten, drückte kurz ihre Hand, schenkte ihr einen aufmunternden Blick, ehe sie beiseitetrat, ihre Hände sittsam vor dem Schoß gefaltet, das verschleierte Haupt demütig gesenkt, wie es sich für eine Frau und Dienerin geziemte. Maya hätte sich bedeutend wohler gefühlt, sich in ähnlicher Kleidung zu ihr gesellen zu dürfen.
    Unter gesenkten Lidern und zwischen den Schultern der beiden Krieger von al-Shaheen hindurch sah Maya, wie ein dünnes Männlein mit komplett ergrautem Haupt und Bart die Linie der Soldaten abschritt, die sofort strammstanden, ihre Mienen ernst und feierlich. Nur sein Auftreten, die Reaktion seiner Männer und die ehrfürchtigen Blicke der aus der Stadt herbeigelaufenen Schaulustigen ließen in ihm den Sultan von Lodar erkennen. Denn seine Kleidung war, abgesehen von einem fadenscheinigen schwarzen Hemd über dem Hüfttuch, keineswegs besser als die seiner Armee, und auch er trug ein Gewehr bei sich. Einzig das Blumengebinde am Turban fehlte und war durch eine Pfauenfeder ersetzt worden. Zwei jüngere Männer folgten ihm, braune Federn an ihrem Kopfputz, und aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit in den Gesichtszügen nahm Maya an, dass es sich um die Söhne des Sultans handeln musste.
    Letzterer blieb nun ungefähr in der Mitte der Soldatenreihe stehen und winkte Rashad mit einer gebieterischen Geste zu sich heran. Langsam, jeden Schritt bewusst setzend, ging Rashad auf ihn zu, die Mauer der Männer von der anderen Richtung her abschreitend. Gut drei Schritte vor dem Sultan machte er Halt, und die beiden Männer musterten sich schweigend, weder freundlich noch feindselig. Dann hob der Sultan seinen Arm, und die Linie der Soldaten teilte sich, bildete einen Gang, an dessen Ende ein weißer Kreis auf einer Hauswand leuchtete, auf den der Sultan nun wortlos deutete. Rashad schien die Zeremonie zu kennen, denn er schlüpfte aus dem Gurt seines Gewehres, legte an und feuerte ab, lud mit einer Patrone aus einem seiner Gurte nach und traf erneut auf das Ziel; drei Mal insgesamt, ehe er seine Waffe wieder umhängte und beiseitetrat. Der Sultan tat es ihm nach, ebenso wie seine beiden Söhne, und auf einen Wink, gefolgt von einem Befehlsruf, feuerten alle Soldaten gleichzeitig einen Salutschuss ab. Besorgt blickte Maya zu den Pferden, ob diese wohl scheuen und durchgehen würden. Doch offensichtlich waren sie solche lautstarken, kriegerischen Rituale gewöhnt; nur ihre Ohren zuckten; ansonsten blieben sie mit hängenden Zügeln und gelangweilter Miene regungslos stehen.
    Jetzt erst begrüßten sich der Sultan und Rashad mit einem klatschenden Handschlag, begleitet von laut vorgebrachten Begrüßungsformeln, Fragen seitens des Sultans und Antworten Rashads, woher sie kämen, wohin sie ritten, was der Grund für ihre Reise sei und welche Neuigkeiten sie von der Küste mitbrächten. Maya verstand nicht alles, glaubte aber gehört zu haben, dass Rashad den Zweck ihres Rittes nach Norden mit »Waren von geringem Wert für Ijar« angab. Ein Tuch wurde auf der nackten Erde ausgebreitet, und auf eine einladende Geste hin setzten sich Rashad und der Sultan einander gegenüber, während die Söhne des Sultans seitlich hinter ihrem Vater Platz nahmen. Ein Diener brachte mit einer tiefen Verbeugung Kaffee, der bis zu Maya hin verlockend duftete, mit einer Spur von Ingwer darin. Obschon noch nicht einmal Mittag war, brannte die Sonne vom wolkenlosen Himmel, und das Gespräch zwischen dem Sultan und Rashad zog sich endlos in die Länge. Ein mehrfaches Klirren erregte Mayas Aufmerksamkeit, und ihr Atem stockte, als sie sah, wie sich von den Häusern am Rande der Stadt eine Prozession von Gefangenen näherte. Unterernährte, zerlumpte Gestalten mit eisernen Ringen um die Knöchel, die mit einem länglichen Metallstück verbunden waren und ihnen nur Trippelschritte erlaubten oder sich allenfalls mit kleinen Hüpfern vorwärtszubewegen. Getrieben von zwei Soldaten des Sultans, stellten sie sich in einer Reihe hinter dem Sultan auf, der

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