Unter dem Safranmond
schöpfte. In vollem Galopp sprengte ein Apfelschimmel heran, und noch ehe der Mann in langem Beduinengewand und mit rotem Turban sein Pferd zum Stehen gebracht hatte, war er abgesprungen und reckte grüßend den Arm zur Gruppe am Brunnen, und die Männer, die gerade die Pferde mit frisch gefüllten Wasserschläuchen beluden, erwiderten seinen Gruß mit freudigen Rufen. Rashad eilte mit großen Schritten auf ihn zu, und unter lautem Gelächter schüttelten sie sich die Hände, umarmten sich herzlich mit Wangenküssen. In dem lebhaften Gespräch, das sich sogleich entspann, hielt der fremde Reiter Rashad seine Handfläche hin, nickte grinsend und machte eine abwerfende Handbewegung, als wollte er sagen: »Nicht so schlimm.« Maya schloss daraus, dass es sich um Ali handeln musste, denjenigen von Rashads Männern, den sie bei ihrer Entführung in die Hand gebissen hatte, und verkniff sich ein schadenfrohes Lächeln. Ali nickte immer wieder eifrig und zeigte hinter sich, in die Richtung von Az-Zara, machte schließlich eine bedauernde Geste, gestikulierte etwas wie »ist nicht meine Schuld« in die Luft. Rashad lief zu seinem Pferd und kehrte mit einem kleinen Lederbeutel zu Ali zurück, dem er diesen in die Hand drückte. Eine nicht minder warme Verabschiedung folgte; Ali saß schwungvoll wieder auf und stob auf seinem Pferd in die Richtung davon, aus der er gekommen war.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Maya, als Rashad wieder zu ihnen stieß.
»Oh ja«, erwiderte er mit einem Nicken und klang vergnügt. Als er sich die Zügel seines Pferdes griff, zögerte er, schien zu überlegen und fügte dann hinzu: »Ali und ein weiterer meiner Männer sind als Kundschafter im Süden unterwegs, in Verkleidung. Zwei englische Soldaten haben sich auf den Weg nach Ijar gemacht.«
Maya kaute auf ihrer Unterlippe herum und sah Rashad zu, wie er aufstieg. »Und wo sind sie jetzt?«, fragte sie, ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne schützend, als sie zu ihm emporblickte.
Er lachte. »Das werde ich Ihnen gewiss nicht sagen! Wer weiß, was Sie sich sonst ausdenken, um unsere Reise zu verzögern!«
Doch der Gedanke, dass Soldaten aus der Garnison unterwegs waren, ihnen womöglich dicht auf den Fersen, ließ Maya keine Ruhe. Kaum saß sie wieder im Sattel, ließ sie ihr Pferd zu Rashad hintraben und ritt neben ihm her. »Wird der Sultan von Lodar sie durchlassen?«
Rashad zuckte mit den Schultern. »Dafür müssen sie selbst sorgen.«
»Hätten Sie nicht beim Sultan schon ein gutes Wort einlegen können?«, redete sie fieberhaft auf ihn ein. »Es liegt doch auch in Ihrem Interesse, wenn sie möglichst schnell nach – «
Rashad riss seinen Fuchs herum, dass er sich quer vor Mayas Pferd stellte, das einen erschrockenen Satz rückwärts machte, was Maya sich Halt suchend an den Sattel klammern ließ. Er wirkte verärgert und doch klang er ruhig, als er erklärte: »Hätte ich dem Sultan gesagt, dass ich Sie bei mir habe und warum – dann hätte er uns niemals passieren lassen und versucht, sowohl von Ijar als auch aus Aden so viel Geld wie möglich für uns zu bekommen.« Mit dem Kopf machte er eine ruckartige Bewegung. » Yalla , ich will heute noch über den Pass von Talh!«
In gesteigertem Tempo näherten sie sich den rötlichen Granitfelsen, deren Auswaschungen die Rinnsale in den nahezu trockenen Flussbetten rostig färbte. Auf den nackten Felsen vor dem Gebirgsmassiv hatte man Steinhäuser errichtet, so winzig, als würden Zwerge darin leben. Das Gestein war reich an Formen, facettenhaft abgesplittert, in Schichten einander überlagernd, spitzkantig oder zu sanften Kurven ausgewaschen. Ihr Weg gewann an Höhe, zwischen zerklüfteten Bergen und abfallenden Geröllhalden zu beiden Seiten hindurchkletternd. Wie Vogelnester kauerten oben auf den Graten Wehrposten, mit Schießscharten in den groben Mauern versehen. Immer höher ging es und immer näher an das Felsmassiv, das sich bedrohlich vor ihnen aufbaute und in seiner Schroffheit unüberwindlich schien. Nach der Hitze der Niederungen zerrte ein angenehm kühler Wind an Mayas Hemd und Turban. Auf einem kleinen Plateau erregte eine Bewegung Rashads und ein mehrfaches feines Klicken hinter ihr ihre Aufmerksamkeit. Rashad hatte das Gewehr schussbereit und entsichert im Anschlag, ebenso wie seine Männer, und Maya beobachtete, wie alle vier die Umgebung mit aufmerksamen Blicken absuchten.
»Was ist?«, flüsterte Maya beunruhigt, als sie zu Rashad aufgeschlossen
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