Unter dem Safranmond
zu wünschen übrig ließ. Wogegen Muhsin dank seiner langen Vermittlertätigkeit zwischen Lahej und Aden vorzüglich Englisch sprach, weshalb er auch als Anführer des Begleittrupps der beiden britischen Soldaten auserkoren worden war. Die Fragen nach dem »Woher« beantwortete Ralph wahrheitsgemäß mit »Aden«, sofern es ihn selbst und Fisker betraf, mit »Lahej«, was Muhsin und seine fünf Männer anging, die in gebührendem Abstand bei den beiden Pferden und den bepackten Kamelen warteten. Mushin hatte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als Ralph darauf beharrt hatte, hoch zu Ross nach Ijar aufzubrechen. »Wir müssen durch die Berge, said ! Das sind keine Pferde für einen solchen Weg! Nur die Leute aus den Bergen haben die geeigneten Tiere dafür!« Doch Ralph hatte auf den beiden Wallachen aus der Garnison bestanden. Denn war er nicht auch auf den Pferden der Guides im Gebirge um Peshawar unterwegs gewesen? Eben!
Des Sultans »Wohin« und »Wozu« ließ Ralph kurz überlegen. Gab er sich als Händler aus, vermutete dieser Herrscher, der mehr einem einfachen Straßenräuber glich, womöglich kostbare Waren in ihrem Gepäck. Doch für eine diplomatische Reise stellten er und Fisker nicht genug dar. Ihre Uniformröcke hatten sie in ihren Säcken hinter den Sätteln verstaut, weil sie nicht in ihrer offiziellen Funktion als Soldaten aufgebrochen waren, sie ihnen aber vielleicht noch nützlich sein könnten (ganz abgesehen davon, dass beide es nicht über sich gebracht hatten, die roten, goldbetressten Röcke, die sie einer Nationalität, einem Berufsstand und einem Rang zuordneten, in der Garnison zurückzulassen). Um sich unterwegs nicht gleich schon von Weitem als Militärs zu verraten, hatten sie sich in helle Reiterhosen und Stiefel gekleidet, dazu weite Hemden mit Stehkragen und ärmellose, bestickte Westen und Umhänge gegen die nächtliche Kälte. Weiße Turbane mit losen Enden verbargen Ralphs sandfarbenes und Fiskers fahlbraunes Haar. Erst kurz vor der Grenze nach Ijar würden sie wieder in ihre Uniformen schlüpfen, um sich als englische Soldaten und Abgesandte Coghlans zu erkennen zu geben.
»Eine Forschungsreise nach Ijar mit dem Zweck, die Beziehungen zwischen dem Sultan und Aden zu verbessern«, beeilte er sich deshalb zu erklären, und Muhsin übersetzte fleißig in blumige Wendungen, wie sein eigener Sultan sie liebend gern hörte.
Den Hunger nach Neuigkeiten aus Aden konnte Ralph nicht stillen, sog sich ein paar Bemerkungen über das Wetter und den weiteren wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt aus den Fingern. Doch mindestens ebenso interessiert war der Sultan an England, überhäufte Ralph mit Fragen über dieses fremde Land, und auch nach dutzendfacher Versicherung, ihr gekröntes Haupt sei eine Frau, blickte der Sultan drein, als würde Ralph ihm ein Lügenmärchen auftischen. Auch Muhsin wusste allerhand aus Lahej zu berichten, und so saßen sie Stunde um Stunde auf dem ausgebreiteten Tuch, auf das die pralle Sonne hinabstach, tranken Kaffee und gingen schließlich zu gebratenem Ziegenfleisch mit teuflisch scharfen Bohnen über.
Es war diese Seelenruhe, diese Gemächlichkeit, mit der die Menschen hier lebten und arbeiteten, die Ralph rasend machte. Gepackt hatten Fisker und er schnell am Morgen, nachdem Mayas Entführung entdeckt worden war, und ebenso rasch hatten sie die gut siebzehn Meilen nach Lahej zurückgelegt. Doch bereits dort erwartete sie ein großes Zaudern und Trödeln, bis der Sultan von Lahej Für und Wider gegeneinander abgewogen hatte, Männer zu einem für ihn derartig heiklen Zweck abzustellen. Er wollte es sich ebenso wenig mit Ijar verderben, das enge Bande zu seinem alten Feind, dem Sultan von Fadhli pflegte, wie mit den Engländern. Schließlich überwog der unmittelbare Nutzen, sich in den Augen von Colonel Coghlan in ein noch vorteilhafteres Licht zu rücken, und die Zahlung von siebzig Maria-Theresia-Talern tat ihr Übriges. Doch dann begann das Grübeln, wen man den beiden Engländern zur Seite stellte. Muhsin als Reiseführer oder Mohammed oder doch lieber Abdallah? Und wer sollte darüber hinaus mitkommen? In Ralph war schon der Verdacht aufgekommen, Lahej solidarisierte sich insgeheim mit Ijar und den Entführern und wollte Letzteren deshalb einen möglichst großen Vorsprung verschaffen, als endlich die Wahl auf Muhsin fiel, dazu auf einen seiner Brüder, zwei Vettern, einen Schwager und einen Neffen. Doch auch die Zusammenstellung der
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