Unter dem Safranmond
konnte.
»Hure? Sag’s ruhig, Ralph! Damit kennst du dich ja aus, nicht wahr?« Wie unter einem Peitschenhieb fuhr er zusammen. »Dachtest du wirklich, ich sei zu blind oder zu naiv, um mir nicht denken zu können, wo du so manche Nacht warst?«
»Hast du es deshalb getan?« Er konnte nur noch flüstern, und als Maya den Kopf schüttelte, setzte er hinzu: »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir den Weg nach Ijar gespart. Von mir aus hättest du dort verrotten können!«
Urplötzlich war Mayas Zorn verraucht, fühlte sie sich kühl und klar. »Das glaube ich dir sofort. So, wie du dich mir zuvor gegenüber verhalten hast.« Sie atmete tief durch. »Es steht dir natürlich frei, dich von deiner untreuen Gattin scheiden zu lassen.«
Ungläubig starrte er sie an. Dann schüttelte er den Kopf, während seine Mundwinkel sich nach unten bogen. »Meine Mutter hatte recht: Du hast mir von Anfang an nichts als Unglück gebracht.«
Müdigkeit überfiel Maya, als sie beide in Schweigen versanken. Womöglich lag es an ihren feuchten Augen, aber ihr war, als sei der Boden des gemütlichen Salons über und über mit Scherben bedeckt. Zersplitterte Bilder, zerbrochene Gefühle und Träume. Sie meinte sich bücken zu müssen, um sie aufzusammeln, doch wusste sie genau, dass sie sich die Finger und Handflächen daran aufschlitzen würde, weil nichts verletzender war als diese scharfen Kanten und Spitzen.
»Kann es sein, dass ich nie wirklich gewusst habe, wer du bist?«
Unwillkürlich zuckte ein Lächeln über Mayas Gesicht. »Das mag sein. Aber mir geht es nicht anders – ich habe dich bei unserer Heirat auch nicht wirklich gekannt.«
Er nickte, ohne sie anzusehen, den Blick unverwandt auf den Boden gerichtet, als sähe er ebenfalls das Scherbenmeer und trauerte ebenso wie sie um das, was sie beide einmal füreinander gewesen waren. Ruckartig hob er den Kopf. »Leb wohl, Maya.« Er deutete in unbestimmter Geste auf ihre Leibesmitte. »Alles Gute.« Dann drehte er sich um und ging.
Maya blieb am Fenster stehen, hörte seine Stiefel die Treppen hinabpoltern, zwei, drei gesprochene Sätze in der Halle, das Zuklappen der Haustür. Sie behielt seinen roten Uniformrock die wenigen Schritte bis zum Wagen fest im Blick. Sah, wie er einstieg, ohne zurückzublicken. Die Kutsche ruckte an, rollte die Straße hinab und aus ihrem Gesichtsfeld. Maya atmete tief durch, und von selbst glitten ihre Hände die Taille abwärts, umfassten den kleinen Kugelbauch unter dem Stoff ihres Kleides. »Siehst du«, flüsterte sie hinab, »so werden wir es in Zukunft auch machen: kein Blick zurück.«
6
Ein Beschluss, dessen Umsetzung Maya in den folgenden Monaten nicht schwerfiel. In Begleitung von Tante Elizabeth, die das Haus am Sydney Place in Bettys Obhut gelassen hatte, war sie schon wenige Tage später nach Black Hall zurückgefahren. Martha Greenwood hatte zwar tief Luft geholt, als ihre Schwägerin verkündete, mindestens bis zum Frühjahr bleiben zu wollen – was auch die zahlreichen Koffer und Taschen erklärte, die Jacob schnaufend aus dem Wagen über die Türschwelle geschleppt hatte –, doch angesichts der freudigen Nachricht, die Maya bei ihrer Rückkehr der in den Salon zusammengerufenen Familie überbracht hatte, behielt Martha jegliches Widerwort großmütig für sich und quartierte Elizabeth Hughes im lange verwaisten Grünen Zimmer ein.
Erstaunlicherweise zeigten die Schwägerinnen unvermutete Eintracht, während sie die vom Speicher geholte alte Wiege neu herrichten ließen, die Kindersachen von Jonathan, Maya und Angelina durchsahen, ausmusterten, was unbrauchbar geworden, gründlich waschen und plätten ließen, was noch wie neu war. Dabei schwelgten sie in Erinnerungen, und Martha ließ es sogar zu, dass Elizabeth tröstend den Arm um sie legte, wenn der Schmerz übermächtig wurde, ihre Rede abbrach, die Augen feucht schimmerten und ihr Mund sich zu einer schmalen Wellenlinie über dem vorgeschobenen Kinn zusammenpresste. Selbstverständlich nur, wenn kein Dritter zugegen war. Gemeinsam verbrachten sie ganze Nachmittage im Warenhaus von »Elliston & Cavell«, um Fehlendes zu ergänzen, gurrten hingerissen, wenn sie ein besonders reizendes Hemdchen oder Häubchen in die behandschuhten Finger bekamen; oft in Begleitung von Angelina, die dann jedes Mal spitze Entzückensrufe ausstieß, völlig aus dem Häuschen, noch Tante zu werden, ehe sie Ehefrau war. Ihre Begeisterung reichte sogar so weit, dass sie von sich aus
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