Unter dem Safranmond
ließ sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen. Das Kind austragen, unter Schmerzen gebären und dann weggeben … zu Fremden, wo es nie erfahren würde, woher es kam, wer seine Eltern gewesen waren, es nie wissen würde, dass es in Liebe gezeugt worden war, wenn auch unter solch widrigen, gar unmöglichen Umständen. Rashads Kind. In dem er weiterleben würde. Unwillkürlich streichelte Maya über die Halbkugel zwischen Miederkante und Rockfalten. Zum ersten Mal durchzuckte sie Freude, fühlte sie sich gesegneten Leibes. Ihre Mundwinkel zitterten, bildeten ein flatteriges, flüchtiges Lächeln, und neue Tränen schossen ihr in die Augen. »Ich sehne mich so sehr nach ihm, Tante Elizabeth!«
»Ich weiß«, murmelte diese in Mayas Haar, als sie ihre Nichte in die Arme schloss und sachte wiegte. »Aber du darfst jetzt nicht zurückschauen. Von dort kommt nichts mehr. Schau nach vorne und sei tapfer!« Maya nickte, als Tante Elizabeth ihr über den Kopf strich. »Morgen gehst du zuerst zu Dr. Sheldrake und lässt nachschauen, ob es euch beiden auch gut geht. Er ist ein liebenswürdiger alter Herr, der schon viele Kinder auf die Welt geholt hat. Und«, sie nahm Mayas Gesicht in beide Hände und sah sie fest an, »und selbst wenn alles den Avon hinuntergehen sollte – hier, in diesem Haus, hast du ein Heim. Dann wird es eben ein echtes Kind dieser Stadt! Und Gnade Gott demjenigen, der es wagt, meine Nichte als gefallenes Mädchen zu bezeichnen! Der wird in ganz Bath keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen!«
Ihre Tante klang so böse, dass Maya gegen ihren Willen lachen musste. Und obwohl es finsterste Nacht war vor den Fenstern des Sydney Place No. 4, glaubte sie, die Sonne schöbe sich gerade über den Horizont.
»Deinen Eltern können wir vielleicht weismachen, dass sie im Rahmen der Schicklichkeit ein Enkelkind erwarten«, hatte Tante Elizabeth gesagt, als sie Maya in jener Nacht zu Bett gebracht hatte. »Aber Ralph musst du es beichten, daran führt kein Weg vorbei! Selbst der dümmste und verliebteste aller Männer kann neun Monate an beiden Händen abzählen – vor allem, wenn du ihn davor lange von dir ferngehalten hast!«
Maya klappte nur langsam das Buch zu, das ihr in den drei Tagen willkommene Ablenkung geboten hatte. Denn das Schicksal von Anne Elliott und ihrem Captain Wentworth ließ sie zeitweise ihr eigenes vergessen. Wenn auch nie für lange, denn immer wieder schweifte sie mit ihren Gedanken ab und grübelte, ohne dabei Erleichterung zu finden. Betty hatte soeben die Ankunft von Lieutenant Ralph Garrett gemeldet, und mit angstvoll schlagendem Herzen lauschte Maya in die Halle hinunter, wo sie ihre Tante hörte, wie sie Ralph mit Fragen nach seiner Herfahrt bestürmte, sich nach dem Befinden seiner Familie erkundigte und dem sonstigen Gang der Dinge, um Maya Zeit zu geben, sich zu sammeln und ihm so gefasst wie möglich gegenüberzutreten. Als sie ihn die Treppe zum Salon hinaufspringen hörte, legte sie das Buch beiseite und stand auf. In altbekannter Manier strich sie sich über die Röcke, vermied dabei aber die Berührung mit ihrem gerundeten Bauch. Lieber Gott, steh mir bei, auch wenn ich es nicht verdient habe.
»Maya!« Strahlend stand er im Türrahmen; strahlend seine Miene, sein Auftreten, in der ganzen Glorie seiner Uniform und mit zurückgewonnener Fröhlichkeit. Er sah sie an, wie damals in Black Hall; als sei nichts geschehen, Arabien nur ein schwarzer Traum gewesen. Noch ist Zeit, Maya, noch kannst du dich entscheiden. Ralph oder das Kind. Beides wird nicht gehen. Wofür entscheidest du dich, Maya?
»Mit deiner Umtriebigkeit hast du uns um einen gemeinsamen Tag gebracht«, rief er lachend, als er auf sie zuschritt und ihre Hand nahm. »Kaum war ich in Oxford, hat mich deine Mutter hierher verwiesen. Der Wagen wartet unten auf mich, ich muss mich heute noch auf den Weg zurück nach Aden machen, mein Urlaub ist so gut wie vorbei.« Er drückte einen Kuss auf ihre Finger, murmelte: »Gott, was hast du mir gefehlt!« Mach’s mir nicht noch schwerer, als es ist. »Du bist immer noch sehr blass. Macht dir dein Magen weiterhin zu schaffen?« Maya nickte halbherzig. »Es geht dir bestimmt gleich besser, wenn ich dir sage, dass ich großartige Neuigkeiten mitbringe!« Er lachte laut, umschlang ihre Taille, schwang sie hin und her, schien gar nicht zu bemerken, wie sie sich in seiner Umarmung versteifte und versuchte, möglichst viel Abstand zwischen sie beide zu bringen. »Unsere Gebete
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