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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Schlafengehen im Schein der Lampe zu lesen. Bezaubert von den lebhaften Schilderungen über das fremde Reich von Himyar, das sich mit Beduinen verbündete und zum Kampf rüstete, um das Joch der Besetzung durch die Aksumiten abzuschütteln, verlor sich Mayas Tante in den Weiten von Arabia felix . Betört von der Schönheit der Frauengestalten, der Tapferkeit der Männer, ihren fein miteinander verwobenen Schicksalen, musste sie immer wieder ihr Taschentuch aus dem Ärmel hervorholen, um sich dezent zu schnäuzen. Papierfiguren, die dennoch lebendig erschienen, zwischen denen Elizabeth Hughes sich bewegte, während die Nacht verstrich. Erst kurz vor Morgengrauen löschte sie das Licht, voller Bedauern, dass sie nun bestimmt einige Tage würde warten müssen, bis sie wissen konnte, wie es weiterging; und auch mit einem Gefühl der Bedrücktheit, wie viel Sehnsucht nach jenem Land sie zwischen den Zeilen erspürte.
    »Es ist gut«, sagte sie schlicht, als sie zwei Tage später Maya die Mappe wieder auf den Schreibtisch legte. »Weiter so.« Beschwingt trippelte sie aus dem Zimmer, Maya verschweigend, dass sie in ihren eigenen sauberen, klaren Buchstaben eine Abschrift davon angefertigt hatte.
    »Meine Güte, Maya, du platzt demnächst!«, kicherte Angelina und stopfte sich, anscheinend unbesorgt um ihre eigene Figur, ein weiteres Trüffel-Praliné in den Mund. Die mit Bauernrosen bemalte Spandose, die in grellrosa Seidenpapier Unmengen solcher Köstlichkeiten zu enthalten schien, war ein Präsent ihres Verlobten, der diesen Titel nun schon eine Woche, seit dem 1. März, stolz und ganz offiziell vor sich hertrug. Es war ein rauschendes Fest gewesen, das Angelina seither entgegen ihrer sonst üblichen Stimmungsschwankungen in gleichmäßigem Hochgefühl gehalten hatte.
    »Wart du nur«, ächzte Maya hinter ihrem Bauch hervor, der sie selbst an ein Bierfass erinnerte, »in spätestens zwei Jahren wirst du in ähnlicher Verfassung im Sofa eures Hauses am Belgrave Square hängen wie ich jetzt hier!« Für sie war die Verlobungsfeier früh zu Ende gewesen; Rücken und Füße hatten ihr derart geschmerzt, dass sie es vorgezogen hatte, die Treppe hinaufzuschleichen und sich hinzulegen. Wofür sie eine Ewigkeit benötigt hatte, kurzatmig wie sie geworden war, doch ohne es auch nur einen Moment zu bedauern. Zum Tanzen war sie ohnehin zu dick geworden, und obendrein tanzten Frauen in Umständen niemals: Sie hockten auf einem Stuhl am Rande des Geschehens und breiteten ihren Schal möglichst so über ihren Bauch, dass er nicht allzu sehr ins Auge stach. Was bei Maya so kurz vor der errechneten Niederkunft ein Ding der Unmöglichkeit gewesen war. Aber sie hatte es sich auch nicht nehmen lassen, anwesend zu sein, wenn Angelina und William Penrith-Jones sich in Gegenwart von Familienmitgliedern und Freunden feierlich das Eheversprechen gaben und mit fein perlendem Champagner auf das Wohl des Paares angestoßen wurde. Und dass den Greenwoods in allernächster Zukunft – und so sichtbar! – ein Enkelkind ins Haus stand, bot natürlich doppelten Grund zum Feiern. Nur zu schade, dass der stolze Vater in spe nicht zur Geburt anwesend sein konnte – das war eben das Opfer, das der Einzelne für den Ruhm des britischen Weltreiches zu erbringen hatte.
    Angelina beugte sich vor, fischte ein weiteres Konfekt aus der Schachtel heraus, knabberte erst die Mandel darauf ab, dann die Hälfte des Pralinés und betrachtete genießerisch die helle Creme darin. Dabei fiel ihr Blick auf den protzigen Brillanten an ihrem Ringfinger. Sie stopfte den Rest der Süßigkeit in den Mund und rieb den Stein am Rock ihres Kleides blank, das die Farbe von Kirschblüten hatte. »Du, Maya«, begann sie gedehnt, »was ich dich noch fragen wollte …« Sie sah sich im Salon um, als ob sich hinter den Portieren oder hinter dem Türrahmen unliebsame Lauscher versteckt hätten. Dabei wusste sie genau, dass ihre Mutter mit Tante Elizabeth bei Miss Pike zum Tee war, ihr Vater in der Bod arbeitete und Hazel und Rose mit dem Frühjahrsputz in der Küche beschäftigt waren, sowie Jacob im Garten damit, die über den Winter abgestorbenen Äste der Bäume abzusägen, was sich durch ein gleichmäßiges Geräusch äußerte, das gedämpft hereindrang. Entschlossen packte Angelina die Armlehnen des Sessels und rückte ihn ein Stück näher an das Sofa. »Wie wird es denn sein«, hauchte sie mit hochroten Wangen, »ich meine, die Hochzeitsnacht … Ist es schlimm?«
    Maya

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