Unter dem Safranmond
saßen sie so in der Gluthitze, bis Rashad es nicht länger ertrug, die Worte zurückzuhalten, die ihm auf der Seele brannten. »Verzeih mir, dass ich dich getäuscht habe, Salim.«
Salims Kopf wippte bedächtig unter dem indigofarbenen Turban. »Ich kenne dich nun schon sehr lange. Du bist immer ein guter Hauptmann gewesen, der beste, den ich mir hätte vorstellen können. Du bist kein Mann, der alles wegwirft, was sein Leben ausmacht, nur weil seine Lenden jucken. Sicher hattest du Gründe, die so schwer wogen, dass du nicht anders handeln konntest. Das genügt mir. Es gibt nichts zu verzeihen.«
Die Sonne wanderte bereits abwärts auf ihrer Bahn, als sie ein Geräusch hörten – Kamele, mehrere, die meisten davon beritten. Doch es verstrich einige Zeit, bis sie ihre flimmernden Umrisse ausmachen konnten, und noch mehr Zeit, bis die Karawane wirklich in Sichtweite war. Salim erhob sich, wedelte die hoch über dem Kopf erhobenen Arme über Kreuz und wieder auseinander, rief: »Heda! He! He!«
Die Kamele verlangsamten ihre Schritte, und das vorderste kam auf die beiden zugeritten. Sein Reiter ließ es vor Salim und Rashad anhalten, neigte sich leicht aus dem Sattel und zog sich das Ende seiner rot-weiß gemusterten keffiyeh von der unteren Gesichtshälfte. Über einem spärlichen grau gestromerten Bart kam eine gewaltige Nase zum Vorschein, deren abwärtsgebogene Spitze nur wenige Fingerbreit von seinem aufwärtsstrebenden Kinn entfernt war. Er war nicht mehr jung, aber auch noch kein Greis.
»Seid Ihr gestrandete Reisende, die Hilfe benötigen?«, erkundigte er sich mit knarzender Stimme. Im Oberkiefer fehlte ihm ein Eckzahn, was ihm ein verschlagenes Aussehen gab. Sein Akzent verriet, dass er aus dem Westen Arabiens stammte.
»Mein Freund hier in der Tat«, erklärte Salim und wies auf Rashad. »Wohin seid Ihr unterwegs?«
Der Karawanenführer zeigte geradeaus. »Nach Westen, und dann nach Norden. Richtung Mekka und Medina.« Er schien Salims Gedanken erraten zu haben und schüttelte den Kopf. »Nein, keine hajjis – wir sind Händler.«
»Könnt Ihr meinen Freund mitnehmen?«
Der Reiter musterte Rashad von Kopf bis Fuß und schnalzte ob dessen erbarmungswürdigen Zustands abschätzig mit der Zunge. »Sieht so aus, als wäre er nicht im Stande, eine lange Strecke nebenherzulaufen. Wenn ich ihm einen Platz auf einem meiner Kamele gäbe … Das kostet Euch was!«
»Nehmt ihn unentgeltlich mit, um der Mildtätigkeit willen. Er hat schwere Zeiten hinter sich.«
Ein meckerndes Lachen war die Antwort. »Das sehe ich!« Seine Äuglein kniffen sich zusammen, und er ruckte mit dem Kopf in Rashads Richtung. »Wird sein Arm wieder? Ich könnte wirklich einen Begleiter gebrauchen, der einen guten Wächter abgibt.«
»Sein Arm ist schon wieder so gut wie neu«, versprach Salim hastig und fügte prahlerisch hinzu: »Er ist einer der besten Schützen weit und breit, erfahren im Kampf und spricht mehrere Sprachen! Sogar die fremder Länder! Gebt ihm nur ein Gewehr und er holt Euch des Nachts die Sterne vom Himmel!«
Rashad fühlte sich wie eine Ware, um die auf einem suq gefeilscht wurde. Oder noch schlimmer: wie auf einer Sklavenauktion. Der Händler schnalzte erneut mit der Zunge.
»Meinetwegen. Aber nach einem Jahr schon wieder abhauen, weil ihm das ewige Umherziehen zu mühselig ist – das wird es bei mir nicht geben!«
»In mir fließt das Blut eines Beduinen«, fuhr Rashad ihn an und stand langsam auf, hielt sich besser auf den Beinen, als er es selbst erwartet hätte.
»Umso besser«, schnarrte der Reiter und ließ sein Kamel Schritte in einem lang gezogenen Bogen beschreiben, dirigierte es zurück zu den Seinen. »Die paar Schritte bis zur Karawane werdet Ihr hoffentlich noch auf eigenen Beinen meistern!«
Der Moment des Abschieds. Nach all den Jahren.
»Ich werde dir auf ewig in Dankbarkeit verbunden sein, Salim«, sagte Rashad, als sie sich die Hände gaben.
»Allah möge über dich wachen«, entgegnete Salim.
Und sie gingen ihrer Wege, ohne sich noch einmal umzudrehen; Salim zu den beiden Kamelen, die sie hierhergebracht hatten, Rashad durch den Sand zu der Karawane humpelnd, die ihn im Sattel eines ihrer Tiere mitnahm, weiter entlang der Al-Rimal , der Sande der Rub al-Khali.
»He, du«, rief ihm der Händler nach einiger Zeit über seine Schulter hinweg zu. »Hast du auch einen Namen? Ich bin Yusuf. Yusuf bin Nadir, der alles kauft und verkauft, was sich zu Geld machen lässt.«
Rashad
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