Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
Vom Netzwerk:
Geburt hatte sie sich ohne Mayas Wissen hingesetzt und ihn mittels ein paar Zeilen wissen lassen, dass Maya einen gesunden Jungen entbunden hatte – mit jener trockenen Schärfe ihrer Feder, die Martha Greenwood so schnell niemand nachmachte und die den Empfänger treffen konnte wie eine schallende Backpfeife. Doch Ralph hatte diesen Wink offenbar nicht verstanden; zumindest hatte er beharrlich geschwiegen, bis jetzt, im Oktober.
    »Na, nun mach ihn schon auf! Mich würde auch interessieren, was dein Herr Gemahl nun doch zu schreiben weiß!«
    »Er bittet darum, mich besuchen zu dürfen.« Mit großen Augen ließ Maya den Brief sinken. »Nächste Woche, nach Möglichkeit.«
    »Das wird auch allerhöchste Zeit!« Noch immer hatte Martha nicht die leiseste Ahnung, was zwischen ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn vorgefallen sein mochte, dass eine solche Eiszeit herrschte. Doch Martha Greenwood hegte nicht den leisesten Zweifel daran, dass der Grund für dieses Zerwürfnis allein Ralph Garrett anzulasten war. »Möchtest du ihn denn sehen?«, fügte sie leise hinzu.
    Doch Maya antwortete nicht. Scheidung – er will unter Garantie die Scheidung!, hämmerte es in ihrem Kopf. Martha, die offenbar die Angst ihrer Tochter spürte, trat auf sie zu und umfasste ihren Unterarm. »Gleich, was er auch wollen mag – er kann dir nichts anhaben! Wir Greenwoods sind so tief in Oxford verwurzelt, haben schon so viel überstanden – da verkraften wir zur Not auch noch einen kleinen Skandal!« Sie küsste ihre Tochter auf die Wange. »Mach dir keine Sorgen, sondern lieber einen schönen Nachmittag mit Amy, ja? Grüß sie lieb von mir!«
    »Ja, mach ich«, seufzte Maya und erwiderte den Kuss ihrer Mutter, drückte dann die Lippen auf Jonahs rosige, zarte Wange. »Sei lieb zu deiner Omama!«
    »Ooochh, was sagt die Mama denn da bloß? Jonah ist doch immer lieb, nicht wahr, Engelchen?« Lächelnd verließ Maya den Salon, hörte ihre Mutter darin weiterhin locken und schmeicheln. »Und was machen wir zwei Süßen heute Nachmittag? Auf den Fingerchen rumkauen? Kommt da noch ein Zahn und tut dir weh? So ein böser Zahn, so ein böser!«
    »Ma-hömmm«, pflichtete Jonah ihr bei.
    Schweigend standen sie sich im Salon gegenüber. Fast ein Jahr war es her, seit sie einander zuletzt in einem anderen Salon gesehen hatten, am Sydney Place in Bath. Eine Begegnung, die bei ihnen beiden tiefe Wunden hinterlassen hatte. Bei Maya und auch bei Ralph, wie sie in seinen grauen Augen lesen konnte, deren Blick noch immer wie aufgeschürft wirkte.
    »Gut siehst du aus«, sagte er schließlich. Was der Wahrheit entsprach. Maya hatte Monate nach der Entbindung zwar noch ein paar Pfund zu viel, aber sie standen ihr gut, verliehen ihr eine ganz neue Weiblichkeit. Der tannengrüne Stufenrock und die Miederjacke über der maigrünen Bluse mit den bauschigen Ärmeln betonten den Schimmer ihrer Haut, Mayas kräftige, dunkle Farben. Ihr Haar, beiderseits des Mittelscheitels schlicht aufgesteckt und mit grünen Bändern durchflochten, die ihr den Rücken hinabhingen, glänzte.
    »Danke, du ebenfalls.« Was genauso wenig geschmeichelt war. An Ralph schienen auch schwere Zeiten keine dauerhaften Spuren zu hinterlassen; selbst das Jahr, das er noch in der Schreibstube in Aden hatte verbringen müssen, hatte seiner Jungenhaftigkeit und seinem guten Aussehen nichts anhaben können. Er trug zivil, einen schokoladenbraunen Anzug, der gut zu seinem sandfarbenen Haar und leicht gebräunten Teint passte.
    Ralph nickte, den Mund zusammengepresst, sichtlich verlegen und ließ seinen Zylinder von einer Hand zur anderen wandern. Schließlich holte er tief Luft. »Maya, ich bin gekommen, um mich bei dir zu entschuldigen. Für … für meinen Auftritt in Bath. Es war nur … nur ein solcher Schock. Und eine unsägliche Demütigung«, murmelte er, den Blick auf seinen Hut gerichtet.
    »Für mich auch«, entgegnete Maya leise. Er setzte zu einer Erwiderung an, ließ sie aber weitersprechen. »Nicht nur deine Worte. Sondern auch, was ich dir zu sagen hatte. Dass ich uns beiden diesen Augenblick nicht ersparen konnte.«
    Ralph nickte, ohne die Augen zu heben. Er blies die Wangen auf und stieß hörbar den Atem aus.
    »Während der vergangenen Monate in Aden hatte ich viel Zeit, um nachzudenken.« Er lachte auf, schüttelte den Kopf über sich selbst. »Du musst gewiss denken, ich käme jedes Mal mit Entschuldigungen an, um dich im nächsten Moment schon wieder zu kränken. Mit

Weitere Kostenlose Bücher