Unter dem Safranmond
weiterhin angesehen. Erleichterung durchströmte Rashad, dass er außer sich selbst niemanden sonst zugrunde gerichtet hatte.
Er wandte den Kopf, als Salim sich ein paar Schritte entfernte und an einem der beiden Kamele zu hantieren begann, die mit ebenso trägen wie beleidigten Mienen im Sand knieten. Und wieder spürte er das Gefühl von dünnem Metall um seinen Hals, hörte ein feines Klingen. Er blickte an sich hinab, betastete die Kette, den flachen, ovalen Korpus des Medaillons und den Ring daran, drehte alles zwischen den Fingern hin und her, als sähe er es zum ersten Mal.
»Das hat dir das Leben gerettet«, äußerte Salim, als er sich mit gekreuzten Beinen auf der ausgebreiteten Decke neben Rashad niederließ, einen Wasserschlauch in der Hand. »Sie hatten es dir abgenommen, als sie dich in das Verlies warfen, und es dem Sultan übergeben. Er war außer sich vor Zorn. Nicht nur, weil du das ’ird verletzt und ihn seines Unterpfands für die Verhandlungen mit den faranj beraubt hattest. Er wollte wissen, ob du ihr das«, er deutete auf die Kette um Rashads Hals, »gestohlen oder als Bezahlung von ihr genommen hattest. Schließlich war es doch ganz offensichtlich eine Arbeit aus einem fernen Land, mit ihrem Bild darin. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ob ein Ja deinen sicheren Tod bedeuten würde oder ein Nein. Also blieb ich bei der Wahrheit: Ein Krieger hänge sich keinen Frauenschmuck um den Hals, wenn er ihn sich um seines Goldes wegen gegriffen hat, sondern verstaue ihn im Gepäck. Trüge er ihn, dann weil es ein Geschenk des Herzens sei. Doch dies steigerte zuerst noch den Zorn des Sultans. Mir war, als hätte er diese Frau bereits – « Salim zögerte und suchte nach den richtigen Worten, »bereits für sich erwählt gehabt und du hättest sie ihm in seinen Augen streitig gemacht. Deine Hinrichtung war bereits beschlossen. Doch als ein paar Tage vergangen waren, er noch immer nicht deine Hinrichtung befohlen hatte, schien er sich besonnen zu haben. Er befahl Ali, die Ältesten von al-Shaheen zu befragen, wie mit dir zu verfahren sei. Als Ali mit deren Urteil zurückkehrte, erklärte sich der Sultan damit einverstanden und überließ es mir, dich aus Ijar fortzubringen und dir den Schmuck zurückzugeben, den er davor nicht einen Moment aus den Händen gelegt hatte.«
Rashad hatte ihm schweigend zugehört, noch immer in Betrachtung des Medaillons vertieft. Ohne sein Zutun, ohne dass er es wollte, drückte sein Daumen auf den Goldtropfen des Verschlusses und der Deckel schnappte auf.
»Das ist nicht ihr Bild. Aber es sieht ihr sehr ähnlich. Vielleicht das ihrer Mutter.«
Es mochte etwas in seiner Stimme gewesen sein oder in seinem Gesicht, das Salim dazu bewog, leise zu fragen: »Es war nicht allein das rafiq . Nicht wahr?« Als Rashad nicht antwortete, hakte Salim nach: »War es das alles wert?«
Ohne ihn anzusehen, entgegnete Rashad: »Weißt du, ob sie gut in Aden angekommen ist?«
Salim zögerte, ehe er erwiderte: »Ja, ist sie. Aber schon bald darauf ist sie mit ihrem Mann zurück in ihr Land gereist, wie mir berichtet wurde.«
Entschlossen klappte Rashad das Medaillon zu und verbarg es unter dem Kragen seines Gewandes. »Dann war es das wert.« Und er verbot sich, je wieder an sie zu denken, die auf die ferne, kühle Regeninsel zurückgekehrt war und an der Seite ihres Gemahls ein Leben führte, das ihr entsprach und sie gewiss bald ihr arabisches Abenteuer vergessen lassen würde. Oder ihm zumindest keinerlei Bedeutung mehr beimessen würde, genau wie er ihm keine Bedeutung mehr beizumessen gedachte.
»Wirst du bei mir bleiben, bis es vorbei ist?«, wollte er mit einem Seitenblick von Salim wissen.
Dieser sah ihn mit einem Ausdruck höchster Verblüffung an, den Wasserschlauch, aus dem er gerade zu trinken beabsichtigt hatte, wieder sinken lassend. Dann begriff Salim, legte den Kopf in den Nacken und lachte. »Nein, Rashad, so einfach kommst du nicht davon! Ich habe nicht wochenlang den Sultan um Milde gebeten, um dich hier zu Staub zerfallen zu lassen. Das hättest du im Verlies des Palastes leichter und schneller haben können!«
Nun war es an Rashad, erstaunt zu blicken. »Was tun wir dann hier?«
Salim setzte den Wasserschlauch ab, aus dem er gerade getrunken hatte, und fuhr sich mit dem Handrücken über die wasserglänzenden Lippen, den feuchten Bart, enthüllte dabei ein verschmitztes Lächeln, als er Rashad den Schlauch weiterreichte. »Warten.«
Stunde um Stunde
Weitere Kostenlose Bücher