Unter dem Safranmond
hatte. Manch einer blieb eine Zeit in Cairo, schlug gar Wurzeln, wie Maya selbst es getan hatte; die meisten aber reisten weiter, schrieben jedoch oft über ihre Erlebnisse.
Zweifellos lag es aber auch an Jonah, dass die Zeit so vorüberflog. Oft wollte Maya rufen: »Halt, hör auf zu wachsen, ich will dich in diesem Alter, genau so, noch eine Weile haben«, doch es hätte nichts genützt. Der rundliche Zweijährige streckte sich, wurde ein kleiner Lausebengel, dann ein richtig großer Junge, schmal und hochgewachsen und so dunkel, dass man ihn wahlweise für einen kleinen Ägypter oder einen Südfranzosen hielt, und nachdem er von Fatma schon so viel Arabisch aufgeschnappt hatte, brachte Maya ihm den Rest auch noch bei. Gerade eben hatte er erst alle Zähne bekommen, dann wackelten sie auch schon und wichen den Zweiten. Betty kam kaum damit nach, seine Hosen zu verlängern, und als er seine Begeisterung für das Ballspiel mit anderen Jungen seines Alters unten auf der Gasse entdeckte, das ab und zu in kameradschaftlichen Raufereien endete, nicht mehr damit, sie zu flicken. Er ging zur Schule, wenn auch nicht besonders gern, war faul, begriff aber schnell und kam daher dennoch gut mit.
Der unerträglichen Hitze des Sommers entflohen sie jedes Jahr allesamt nach Black Hall, wo sich auch Angelina und William Penrith-Jones aus London einfanden. Nach vier Geburten war Angelina völlig aus der Form geraten, schien aber noch nicht genug zu haben und schwärmte von einem weiteren Kind. Bestimmt auch, weil sie doch noch hoffte, eines zu bekommen, das nach ihr schlug; denn abgesehen von ihren großen dunkelblauen Augen waren Anna, Jeremy, Evelyne und Philip allesamt nach ihrem Vater geraten: gutmütig, stämmig und rothaarig. Zu fünft tobten die Greenwood-Enkel durch den Garten von Black Hall und zankten sich darum, wer als Erster auf die neue Schaukel unter dem Apfelbaum klettern durfte.
Unmittelbar nach jedem Weihnachtsfest, das sie in London am Belgrave Square verbrachten, kamen Martha und Gerald zu Besuch. Maya, der die Abneigung ihrer Mutter gegen das Reisen noch in lebhafter Erinnerung war, konnte nur staunen, mit welcher Begeisterung sie mit Mann, Schwägerin – die hier in Cairo fast noch jugendlicher und energiegeladener wirkte als seinerzeit in Bath –, Tochter und Enkel durch die Stadt flanierte, vorbei an den Moscheen und alten Palästen; manchmal begleitet auch von Amy, die wie zu einer dritten Tochter geworden war. Ausgerechnet Martha war diejenige, die nicht genug von den Basaren bekommen konnte, sich unerschrocken durch das Meer aus weißen und roten Turbanen hindurchdrängte, vorbei an Eseln, beladen mit Wasserschläuchen und Backsteinen, die jeden Augenblick herunterfallen und ihr einen Fuß zerschmettern konnten. Vor allem der Seidenbasar hatte es ihr angetan, auch wenn Maya ihr dutzendfach erklärte, dass die besonders farbenprächtigen Stoffe, die sie gerade sehnsüchtig durch die Finger gleiten ließ, aus Lyon stammten. Und auch dem Parfümbasar, überdacht und lichtlos, von nur wenigen Kunden besucht, bevölkert von finster aussehenden Gestalten, musste Martha jedes Mal einen Besuch abstatten, und sei es nur, um über die in Bündeln von den Decken hängenden Goldpapierstreifen für Hochzeitsfeiern, die bei jedem Luftzug knisterten und raschelten, zu staunen, oder für die merkwürdigen Pasten und Essenzen, durch die sie sich hindurchschnupperte, bis hin zu den verschiedenen Varianten an Hennapulver und Khol für die Augen. Es war, als ginge ihre Mutter ganz selbstverständlich davon aus, dass ihr hier nichts geschehen konnte, solange Maya dabei war, die schließlich hier lebte. Dennoch zuckte Martha immer noch angeekelt zusammen, wenn Najmah von nebenan mit besonders viel Knoblauch und Schwarzkümmel kochte und die Schwaden durch den Innenhof ins Haus zogen.
Sie gingen in die italienische Oper und die Comédie Française, oft hinauf auf die Zitadelle, wo neben verfallenen Ruinen der prächtige Palast des vorigen Khediven stand, glänzend bekuppelt und von schlanken Minaretten umrahmt, von wo aus man einen atemberaubenden Blick über die gesamte Stadt hatte. Sie besichtigten die »Hängende Kirche« im koptischen Viertel, hoch auf Treppen zwischen den Häusern erbaut, wo sich unter den Zwillings-Glockentürmen Spitzbögen mit Arabesken in atemberaubender Fülle verbargen und eine alte römische Festungsmauer. Sie besuchten das Ägyptische Museum im Stadtteil Bulaq, wo sie beeindruckt vor den
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