Unter dem Safranmond
sich an, ihnen beiden einen nervenstärkenden Whisky einzugießen.
»Schenkst du mir bitte einen Sherry ein?«, hörte er die Stimme seiner Frau, und er drehte sich mit konsterniertem Blick um. Sherry am Nachmittag – das hatte er bei Martha das letzte Mal erlebt, als … ja wann?
»Auf die Krim haben Sie Ihre Tochter doch auch gehen lassen«, gab Martha Greenwood zu bedenken, und dankte Gerald mit einem Nicken, als er ihr das Glas reichte.
»Danke, Gerald.« Frederick Symonds nahm einen tiefen Schluck. »Vorzüglicher Jahrgang! – Nach Jonathans Tod hielt ich es für sinnvoll. Sie brauchte Ablenkung, das Gefühl, etwas Nützliches tun zu können. Trotzdem war ich mehr als erleichtert, als sie heil und gesund zurück war. Aber Cairo – einfach so?« Er schüttelte den Kopf und setzte das Glas erneut an.
Martha Greenwood betrachtete nachdenklich ihren Sherry. »Maya und Amy gehören einer anderen Generation an als wir. Für sie hat die Fremde nichts Bedrohliches. Die jungen Menschen haben heute mehr Mut und Kampfgeist als wir in ihrem Alter damals. Vergraben sich nicht in ihrem Kummer, sondern ebnen sich neue Wege.« Sie nippte an ihrem zierlichen, langstieligen Glas und erklärte: »Ich finde, wir sollten sie nicht daran hindern.«
Es war schwer zu sagen, welcher der beiden Gentlemen verblüffter dreinschaute. Doch es war Gerald, an den sich Martha nun wandte. »Gib doch zu, du liebäugelst schon lange damit, die Pyramiden zu besichtigen! So haben wir dann doppelten Grund, dorthin zu reisen.«
Gerald Greenwood war sprachlos. Seine Gattin, die sich jahrzehntelang geweigert hatte, auch nur einen Fuß auf ein Schiff zu setzen, das sie aus England fortbrachte, schlug eine solche Reise vor! Fürwahr , dachte er, es gibt nichts Unergründlicheres und Rätselhafteres als das Wesen einer Frau! Doch sein Glück war unermesslich, als er das lebenslustige Funkeln in ihren Augen entdeckte, in das er sich vor fast dreißig Jahren auf der Stelle verliebt hatte und das über die Zeit einfach verschwunden war.
Der Winter verging mit Reisevorbereitungen und Packen. Tante Elizabeth hatte schnell einen Käufer für ihr Reihenhaus am Sydney Place No. 4 gefunden. Betty, die zu jener alten Schule an Dienstboten gehörte, für die nichts anderes in Frage kam, als ihrer Herrin bis an ihr Lebensende zu folgen, lehnte das Angebot, sich aufs Altenteil zurückzuziehen, geradezu empört ab und packte ebenfalls ihr Köfferchen für Cairo. Als Gerald auf dem Korridor vor Mayas Zimmer eine Bücherkiste entdeckte, in der neben Richard Francis Burtons Bericht über seine Pilgerreise nach Mekka und Medina noch Platz war, kratzte er sich am Kopf, ging hinab in sein Arbeitszimmer und wählte vier Bücher aus, von denen er hoffte, sie würden Maya Freude bereiten, und schmuggelte sie einfach mit in die Kiste.
Als in London an einem wunderbar glänzenden Frühlingstag Ende März 1858, nach einem tränenreichen Abschied am Kai, der Dampfer der »P&O Company« mit den englischen Ladys und Jonah an Bord außer Sichtweite war, tupfte sich Martha Greenwood noch einmal unter Augen und Nase und hakte sich bei ihrem Mann unter.
»Hoffentlich wird sie dort glücklich«, sagte Gerald leise und voller Wehmut.
»Bestimmt. Sie fährt ja nicht allein, sondern befindet sich in guter Gesellschaft.« Doch auch ihr war der Abschiedsschmerz anzusehen. »Nun sind unsere Kinder aus dem Haus.« Ein Seitenblick streifte William Penrith-Jones, der seine kleine Anna auf dem Arm hielt, während Angelina bemüht war, ihr die erbsengrüne Schleife, passend zum sichtlich teuren Kleidchen, im brandroten Haar zurechtzurücken, was dem knapp sechs Monate alten Kind gar nicht zu gefallen schien; jedenfalls ruckte es mit dem Kopf hin und her und zog ein unzufriedenes Gesicht, das jederzeit ohrenbetäubendes Geheul bedeuten konnte. Marthas Schulter drückte sich an die ihres Mannes. »Was fangen wir beide nun allein in dem großen Haus an?«
Seine freie Hand strich über die ihre, die auf seinem Unterarm ruhte. »Liebes, da wird uns schon etwas einfallen. Sie sind beide doch nicht aus der Welt. Wir könnten Maya gleich Weihnachten besuchen. Und London liegt dann ohnehin am Weg.«
Sie sahen sich einen Moment lang in die Augen und lächelten einträchtig.
»Kommt ihr? Hannah wartet sicher schon mit dem Tee auf uns«, ließ sich Angelina ungeduldig vernehmen. »Ich kann es nicht leiden, wenn das Teewasser nicht genau auf den Punkt ist!«
11
Ja, Hassan verstand etwas von
Weitere Kostenlose Bücher