Unter dem Safranmond
amüsierter Miene den Kopf und beharrte auf ihrem Angebot.
»Allerdings«, sie ließ den Blick durch den Raum schweifen, von dessen Wänden an ein paar Stellen der Putz bröckelte, »werde ich Handwerker benötigen. Wenn Ihr mir gute vermitteln könntet, würde ich Euch dafür natürlich extra bezahlen.«
Hassan strahlte über das ganze Gesicht. Das war eine Lady nach seinem Geschmack! Er eilte an ihre Seite, dass sein Bauch in dem weiten Hemd über dem Kummerbund der Pluderhose hüpfte, und zusammen setzten sie den Rundgang durchs Haus fort. »Ich habe da einen Vetter, der ist Schreiner … und dessen Schwager versteht sich auf Malerarbeiten. Und sein Neffe ist Schmied! Ich kann nachher gleich vorbeigehen …«
In der Tat – Hassan verstand sich auf englische Ladys. Aber einer wie Mrs. Garrett war er noch nicht begegnet. Und so kam er nach Abwicklung des Hauskaufs und nach Vermittlung der Handwerker oft auf ein Glas Tee oder einen Becher Kaffee vorbei, um zu schwatzen und sich nach dem Stand der Renovierungsarbeiten zu erkundigen. Dabei schnauzte er bei nächster Gelegenheit den Handwerker an, sich gefälligst zu beeilen – man wolle doch Mrs. Maya, Miss Amy, Mrs. Elizabeth, Miss Betty und vor allem nicht den kleinen said noch länger ohne warmes Wasser lassen!
Mit Hassan hatten sie eine gute Anlaufstelle für alles, das merkten auch Maya und die anderen schnell. Er wusste, wo es das beste Obst und den besten Mais in der Nachbarschaft zu kaufen gab und bei welchem Händler man niemals Fleisch kaufen durfte, weil es von vorgestern war. Auch eine Köchin namens Fatma besorgte er ihnen, die es anfangs schwer hatte, unter Bettys scharfen Augen zu bestehen, bis man sich auf einen Kompromiss geeinigt hatte: Sie würden abwechselnd kochen, einen Tag ägyptisch-arabisch, einen Tag englisch. Es ergab sich, dass Hassan hörte, dass ein christliches Krankenhaus händeringend nach Krankenschwestern suchte – Amy Symonds kam wie gerufen. Und Hassan geriet immer wieder an besonders neugierige Touristinnen, die sich nicht gerne von einem Mann unterrichten lassen wollten, aber sehr gerne Arabischstunden bei Maya nahmen, noch lieber zum Tee blieben und, zuhause angelangt, die sympathische Mrs. Garrett ihren Bekannten und Verwandten weiterempfahlen, die ebenfalls nach Cairo zu reisen planten. Mayas Roman über Himyar verkaufte sich nicht übermäßig, aber immerhin so gut, dass der Verleger in England zufrieden war mit dem Gewinn, Maya einen Bonus bezahlte und sie bat, doch etwas über Cairo zu schreiben, wenn sie nun schon dort lebte. Und ob sie sich eine Übersetzung aus dem Arabischen zutraue?
Zusammen mit der Pension der britischen Armee und Tante Elizabeths Sparstrumpf war für ihr aller Auskommen gesorgt. Für englische Verhältnisse bescheiden, aber hier in Cairo ließ sich gut damit leben.
Als hätte ein Windstoß Mayas Lebensbuch erfasst, flogen dessen Seiten nur so dahin, viel schneller als die sorgsam aufgeblätterten ihrer Kindheit, Jugend und ihrer frühen Erwachsenenjahre. Vielleicht, weil sie so viel zu tun hatte: mit Lesen in ihrer langsam, aber stetig wachsenden Bibliothek, mit Schreiben und Übersetzen, mit Unterricht.
Tante Elizabeth hatte recht behalten: Cairo war dabei, ein zweites Paris zu werden. Vor allem, als sich der neue Khedive Isma’il Pasha fünf Jahre nach Mayas Ankunft daranmachte, die Stadt im Westen nach dem französischen Vorbild auszubauen, mit breiten Prachtstraßen, großzügigen Parks und weiten Plätzen, an denen sich Zuckerbäckerhäuser nach europäischer Bauart präsentierten, die nachts funkelnd beleuchtet wurden. Die Eröffnung der Eisenbahnlinie nach Alexandria machte die Stadt auch für Touristen noch attraktiver, und seit Thomas Cook Cairo in sein Reiseangebot aufgenommen hatte, strömten immer mehr Engländer in die Stadt. Künstler, die betört waren von dem Leben auf den Straßen und der Freundlichkeit der Menschen, der Schönheit der Stadt, die von allem etwas hatte, Einflüsse aus dem Mittelmeerraum, dem Orient und Afrika, aus Frankreich und England; prächtige Moscheen und elegante Wohngebäude, Kaffeehäuser und bunte suqs , Muezzinrufe und das Geläut von Kirchenglocken.
Es sprach sich herum, dass mitten im Treiben der Altstadt, in einem der unscheinbaren Häuserblöcke in der Nähe der alten Stadtmauer Bab Zuweila, Maya Greenwood Garrett lebte, die Schriftstellerin und Übersetzerin, und so erhielt sie oft Besuch aus England, von Fremden, die die Neugierde getrieben
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