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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Haaröl seidig gestriegelt und einen akkuraten Seitenscheitel gezogen. Dann war das Haar zu einem großen glatten Knoten im Nacken festgesteckt worden, mit so vielen auf der Kopfhaut pieksenden Nadeln, dass sich Maya wie das Nadelkissen im Nähkorb ihrer Mutter fühlte. »Eigentlich mehr etwas für ältere Damen, aber durchaus à la mode «, lautete Angelinas fachmännischer Kommentar. Maya gefiel sich dennoch mit dieser strengen Haartracht, die ihre Augen größer wirken ließ, ihr klares, klassisches Profil und ihre vollen Lippen, von Natur aus in einem satten Rosenholzton, betonte. Die Farben des Kleides ließen Maya eine Spur blasser erscheinen, aber immer noch nicht blass genug, um auch nur annähernd mit Angelina in Konkurrenz treten zu können. Dafür schickten sie einen zarten Schimmer über ihre Haut. Fremd wirkte sie, geheimnisvoll, wie eine Spanierin. Oder wie eine Zigeunerin … Einen Augenblick lang befiel sie der brennende Wunsch, Richard könnte sie jetzt so sehen, und es waren nicht die Fischbeinstäbe des Korsetts, die ihre Brust plötzlich so eng werden ließen.
    »Ladys!«, ertönte Gerald Greenwoods Bass von unten die Treppe herauf. Maya wollte loseilen, doch Angelina hielt sie am Arm zurück. »Nicht so hastig! Gentlemen muss man warten lassen. Nur so wissen sie unsere Gesellschaft auch wirklich zu schätzen.« In aller Seelenruhe fuhr sich Angelina vor dem Spiegel noch einmal über ihre Augenbrauen, zupfte hier an einem Volant, dort an einer Falte, kaute auf ihren Lippen herum, dass sie Farbe bekamen, kniff sich zum selben Zweck in die Wangen. Abschließend zog sie eine Schnute und betrachtete sich von allen Seiten. Maya fragte sich einmal mehr, wie sie beide die Töchter ihrer Eltern, zusammen aufgewachsen und dennoch so verschieden sein konnten. »Und kehr bitte nicht so den Blaustrumpf raus«, bat Angelina sie nebenbei eindringlich, »das macht sich nie gut. Ich denke, jetzt können wir hinuntergehen.«
    Hand in Hand, mit der jeweils anderen die Röcke raffend, schritten sie die Treppe hinab, in einem seltenen Moment schwesterlicher Eintracht. Wie früher als kleine Mädchen, am Weihnachtsmorgen, wenn sie kerzengerade im Bett gesessen hatten, sich flüsternd versicherten, »Jetzt, jetzt ganz gewiss!« müsse Father Christmas doch schon da gewesen sein, bis sie es nicht mehr aushielten und dann kichernd, mit ineinander verschränkten Patschhändchen und barfuß die Treppen hinuntergehüpft waren, um nachzusehen und sich dann auf die Päckchen zu stürzen.
    »Halt dich gerade«, zischte Angelina ihr auf dem letzten Treppenabsatz zu, der bereits im Schein der hell erleuchteten Halle lag.
    »Kunststück, so eng, wie du die Schnüre des Korsetts angezogen hast«, fauchte Maya zurück.
    Auf der nächsten Stufe entfuhr Angelina ein gequältes Stöhnen. »Oh nein, Vater zeigt ihm gerade diese furchtbaren Tonscherben! Wie unangenehm!«
    Tatsächlich stand Gerald Greenwood in seinem guten braunen Anzug vor der schlanken, hohen Vitrine, die an den schmalen Wandstreifen zwischen den Türen zum Speisezimmer und zum Salon gerückt war. Mit schwungvollen Gesten erläuterte er Fundort, Alter, Urheberschaft und Zweck der antiken Stücke. Wie Maya ihn kannte, tat er dies mit lebendigen Beschreibungen und anschaulichen Beispielen, gewürzt mit humorvollen Anekdoten, und eine Welle der Zärtlichkeit für ihren Vater zog durch sie hindurch. Jonathan lehnte lässig am Türrahmen auf der anderen Seite, ließ gedankenvoll die zimtfarbene Flüssigkeit in seinem niedrigen, zylindrischen Glas kreisen, während er Gerald immer wieder mit einer Mischung aus liebevoller Nachsicht und echtem Interesse ansah – als hätte er diese Geschichten im Laufe seines Lebens nicht schon Dutzende Male zu hören bekommen. Den Gast, der ihre Schwester in ein solches Entzücken versetzt hatte, konnte Maya nur von hinten sehen: glattgebürstetes, helles Haar, eine aufrechte Haltung, ohne militärisch stramm zu stehen, scheinbar gänzlich vertieft in die Ausführungen seines Gastgebers. Des Weiteren breite Schultern unter einem khakifarbenen Waffenrock, lange, gerade geschnittene Hosen in der gleichen Nuance, einen dunkelroten Streifen entlang der Hosennaht. Seine Linke hatte er auf den Rücken gelegt – eine kräftig sehnige, leicht gebräunte Hand unterhalb des Ärmelsaums, der wie der Stehkragen des Rocks weinrot abgesetzt und mit goldener Kordelstickerei in Form eines kompliziertes Knotenmusters verziert war. Wie farblos , dachte

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