Unter dem Safranmond
bemühte sich dieser richtigzustellen. »Teilweise den Grund und Boden – aber dieser gehört auch nicht mir , sondern meinem älteren Bruder Thomas, seit er nach dem Tod meines Vaters Titel und Besitz übernommen hat. Ich war über fünf Jahre nicht mehr zuhause; sicher hat sich eine Menge verändert in dieser Zeit. Zum ersten Mal werde ich jetzt die Gattin meines Bruders kennenlernen und meinen kleinen Neffen.«
»Oh, dann sind Sie gewiss weitaus Besseres gewöhnt als unser bescheidenes Heim«, warf Martha Greenwood von gegenüber mit einem nervösen Auflachen ein.
»Aber nein, Madam, das hört sich alles großartiger an, als es tatsächlich ist. Was ich bislang von Black Hall gesehen habe, gefällt mir sehr gut. Und ich schätze es sehr, wenn es weniger – hm – formell zugeht als bei uns zuhause.« Was offensichtlich als recht zweifelhaftes Kompliment ankam, urteilte man nach der Art und Weise, wie Martha Greenwood pikiert durch die Nase einatmete. Eine angespannte Stille trat ein, in der nur noch das leise Klingen von Besteck gegen Porzellan zu hören war. Ralph schien sich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Und das nicht nur, weil ihm soeben dieser kleine Fauxpas unterlaufen war. Es war ihm sichtlich unangenehm, derart über seine Herkunft ausgefragt zu werden – ganz so, als sei er bereits als ernsthafter Bewerber um Angelinas Hand über die Schwelle des Hauses getreten. Mitgefühl regte sich in Maya, die zur Linken ihrer Mutter saß, und gleichzeitig empfand sie es als einen sehr einnehmenden Zug von ihm, dass er sich so bescheiden gab, nicht mit Titel und Grundbesitz seiner Familie protzte. Sie warf ihm einen aufmunternden Blick schräg über den kerzenerleuchteten Tisch zu, den Ralph dankbar erwiderte.
»Was hat Sie denn dazu bewogen, in die Armee einzutreten, Mr. Garrett?«, ließ sich Gerald Greenwood am Kopfende der Tafel vernehmen, sichtlich bemüht, die Stimmung zu retten.
»Das hat in meiner Familie Tradition«, erklärte Ralph, während Hazel die leeren Suppenteller des guten Wedgwood-Services abräumte und die vorgewärmten Teller für das Hauptgericht reihum verteilte. »Schon seit fünf Generationen zieht es immer mindestens einen Sohn der Garretts zur Armee. Auch mein Onkel, der Bruder meines Vaters, hat in Indien gedient. Aber ich will nicht verhehlen, dass mich die Kameradschaft in der Armee reizt, die Aufstiegschancen – und nicht zuletzt auch das Abenteuer«, fügte er mit einem verlegenen Lächeln hinzu. »Die Grenzen des Britischen Empire in fernen Ländern zu verteidigen – das hat schon eine gewisse Faszination.«
»Ist das nicht furchtbar gefährlich?« Angelina bedachte ihren Tischnachbarn mit einem hingebungsvollen Blick. Eine Platte mit dem verlockend duftenden Roastbeef wurde aufgetragen, Schüsseln mit gedämpftem, noch knackigem Kohl und sahnigem Kartoffelpüree. Abgerundet wurde der Hauptgang mit gebundenem und abgeschmeckten Bratenfond und nicht zu vergessen mit Roses viel gerühmter Sauce aus heißer Milch, Butter und Brotwürfeln, gewürzt mit Zwiebeln, Salz, Nelken, Pfeffer und Lorbeerblatt. Hazel in ihrer Uniform aus schwarzem Kleid, spitzenumrandeter, weißer Schürze und passendem Häubchen wünschte mit einem Knicks »Guten Appetit«, ehe sie ihren Servierwagen wieder hinausrollte.
Ralph rückte konzentriert die auf seinem Schoß liegende Serviette zurecht und erwiderte offenbar an niemanden Bestimmtes gerichtet: »Gefährlich ist so vieles … Träumen wir nicht alle auf eine Art davon, Helden zu sein? Und sei es nur, dass wir etwas Besonderes aus unserem Leben machen wollen?« Sein Blick traf Mayas, und beide lächelten sich für einen Moment zu, voll gegenseitigen Verstehens. Als er sah, wie Gerald zu seiner Linken eine einladende Geste mit dem Vorlegebesteck für das Roastbeef machte, beeilte er sich, seinen Teller hinüberzureichen.
»Nun, mein Sohn hier«, Gerald warf Jonathan über die Länge des Tisches hinweg einen Blick zu, während er in seiner Eigenschaft als Hausherr nacheinander alle mit den innen noch zartrosa Scheiben des Bratens versorgte, »hat Ihnen sicher erzählt, dass bei uns der Beruf des Arztes in der Familie liegt. Er ist allerdings der Erste, der sich ebenfalls vom Abenteuer der Armee locken ließ. Wenn er auch immer standhaft behauptet hat, seine Beweggründe seien …«
»Bitte, Vater!« Jonathan rollte in gespieltem Ärger mit den Augen. »Nicht das schon wieder!«
»Mein Vater glaubt nämlich«, warf Maya auf einen ratlosen Blick
Weitere Kostenlose Bücher