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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Maya enttäuscht, als Angelinas Hand sich feucht vor Aufregung fester um die ihre schloss.
    Jonathan wurde als Erster auf sie beide aufmerksam, und ein Strahlen glitt über sein Gesicht. Er drückte sich von der Wand weg und hob sein Glas in ihre Richtung. »Endlich gibt sich auch die holde Weiblichkeit die Ehre!«
    »Reizend seht ihr zwei aus!«, rief Gerald Greenwood ihnen entgegen, sichtbar stolz auf seine beiden Töchter. Die Wärme in seinen nussfarbenen Augen ließ sein Gesicht trotz vollständig ergrauten Haares und Bartes jugendlich wirken. Auch Ralph Garrett wandte sich um und hielt mitten in der Bewegung inne, mit der er das Glas in seiner Rechten zum Mund hatte führen wollen.
    Maya blieb wie angewurzelt stehen. Urplötzlich begriff sie Angelinas Schwärmerei für den Freund ihres Bruders. Der Schöpfer hatte es mit Ralph Garrett scheinbar besonders gut gemeint: Seine Züge waren fein geschnitten und harmonisch ausgewogen, aber weit davon entfernt, weich oder gar feminin zu sein. Und trotz der Gefälligkeit für das Auge war das Äußere von Ralph Garrett keines von jener Sorte, das man sofort wieder vergaß. Ein eigenartiges, blassgoldenes Leuchten ging von ihm aus, eine heitere Ernsthaftigkeit, gepaart mit stillvergnügter, sonniger Lebensfreude – in allem das genaue Gegenteil von Richard Francis Burton. Maya nahm kaum wahr, dass Angelina ihr etwas zuzischelte, ihr die Fingernägel in die Handfläche bohrte, sie schließlich achselzuckend losließ und an ihr vorbei die letzten paar Stufen hinabstolzierte. Langsam senkte Ralph Garrett sein Glas, doch noch immer hielten seine grauen Augen die dunklen Mayas fest. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von Überraschtheit zu Neugierde, schließlich zu freudiger Erwartung, als sich seine Lippen in einem vorsichtigen Lächeln schlossen.
    Maya tastete nach dem Handlauf des Geländers, überzeugt davon, die letzten Stufen hinunter auf den glatten Sohlen der dünnen, stoffbezogenen Abendschuhe noch ins Straucheln zu geraten. Und dennoch fiel es ihr schwer, ihren Blick auch nur für eine Sekunde von Ralph Garrett zu lösen. Umso größer die Erleichterung, als Jonathan sie unten in Empfang nahm, den Arm um ihre Schultern legte und sie an sich drückte.
    »Ralph, darf ich dir meine andere Schwester Maya vorstellen? Sie hat nicht nur einen hübschen, sondern auch einen ausnehmend klugen Kopf!« Unbekümmert drückte er einen herzhaften Kuss auf ihre Schläfe, wies dann mit seinem Glas auf Ralph. »Das, Maya, ist Ralph Garrett, der mir die Zeit während der Reise hierher aufs Angenehmste vertrieben hat.«
    »Was absolut auf Gegenseitigkeit beruhte«, lachte Ralph, wechselte sein Glas in die Linke und nahm Mayas Hand, die sie ihm mit der Andeutung eines Knickses entgegenstreckte. Er hatte eine angenehme Stimme, tief und weich und ebenso warm wie sein Lachen. Kaum vorstellbar, dass er damit auf dem Exerzierplatz militärische Kommandos brüllte, fand Maya. »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Greenwood«, sagte er, als er sich über ihre Hand beugte.
    »Angenehm«, murmelte Maya verlegen, der bei seiner Berührung heiß und kalt wurde.
    In diesem Augenblick erschien Martha Greenwood mit erwartungsvoll gefalteten Händen, nachdem sie noch die letzten Korrekturen an den Gedecken und dem Blumenbukett vorgenommen hatte. »Kommt ihr, meine Lieben? Es ist alles bereit!« Ihre roten Wangen und der Glanz in ihren Augen verrieten ihre aufgeregte Vorfreude. Mayas Augenbrauen schnellten empor, als sie bemerkte, dass ihre Mutter ihr teures mitternachtsblaues Seidenkleid und die Brillantohrringe trug, die noch von Geralds Mutter stammten. Offensichtlich schien sie Ralph Garretts Anwesenheit ganz in die Nähe einer königlichen Stippvisite zu rücken …
    »Darf ich Sie zu Ihrem Platz begleiten, Miss Greenwood?« Mit einer erneuten leichten Verbeugung hielt Ralph Garrett ihr seinen angewinkelten Arm hin. Hätten Blicke töten können, wäre Maya in diesem Augenblick unter den Augen ihrer Schwester, die sich sichtbar widerwillig mit Jonathans Arm begnügte, leblos auf den rostroten Teppich niedergesunken.
    »… Montpellier House, nur wenige Meilen von Cheltenham entfernt, und unweit des gleichnamigen Dorfes, das zum Herrenhaus gehört«, beantwortete Ralph über der klaren Ochsenschwanzsuppe die Frage seiner Gastgeberin.
    »Sie besitzen ein Dorf? « Die Augen Angelinas, die zur Rechten Ralphs saß, weiteten sich ungläubig vor Bewunderung.
    »Nicht ganz, Miss Angelina«,

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